17. Juli 2023 | NEWSFLASH Umweltrecht

Meilenstein für Artenschutz: VwGH stärkt Rechte von anerkannten Umweltorganisationen im Verordnungsverfahren

In einer aktuellen Entscheidung in Bezug auf die NÖ Fischotterverordnung 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nach Beschwerden von ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung und WWF Österreich klargestellt, dass anerkannte Umweltorganisationen grundsätzlich (bereits) an Behördenverfahren, in denen Normen des EU-Umweltrechts betroffen sind, beteiligt werden müssen. Zudem muss es einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz geben. Das Höchstgericht folgt damit der Kritik zur fehlenden Rechtskonformität von Entnahme-Verordnungen für streng geschützte Tierarten, wie Fischotter, Biber und Wölfe. Die Verordnungen treten damit nicht automatisch außer Kraft: Das Höchstgericht eröffnet aber erstmals in Österreich eine Anfechtungsmöglichkeit für diese.

Entnahme-Verordnungen als Umgehungskonstruktion im Artenschutzrecht

Dem gegenständlichen Rechtsstreit voraus ging die Diskussion zur Rechtsstellung anerkannter Umweltorganisationen und deren Zugang zu Gerichten in Entnahmeverfahren. In den letzten Jahren führten mehrere – in der Regel erfolgreiche – Bescheidbeschwerden von anerkannten Umweltorganisationen gegen die Genehmigungen zur Tötung von geschützten Tierarten dazu, dass die Landesregierungen von der Erlassung solcher Bescheide abrückten und den Verordnungsweg wählten. Das betrifft insbesondere den Wolf, aber auch Arten, wie Biber und Fischotter, die unter den strengen Schutz der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL) fallen.

Diese Entnahme-Verordnungen sind insofern nicht rechtskonform, als sie weder eine Einzelfallprüfung im Sinn der FFH-RL ermöglichen noch eine effektive Beteiligung oder einen Rechtsschutz für die (betroffene) Öffentlichkeit zulassen. Diese fehlende Einbeziehung verstößt gegen die Aarhus Konvention. Sie stellt klar, dass anerkannte Umweltorganisationen nicht nur das Recht haben müssen, in die Entnahmeverfahren von streng geschützten Tierarten eingebunden zu sein, sondern diese auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht überprüfen zu lassen. Durch die Verordnungen wurde das Beschwerderecht zuletzt jedoch ausgehebelt.

Dieses „Aussperren“ von anerkannten Umweltorganisationen sowie die fachlichen und rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Vorgaben der FFH-RL wurden von ÖKOBÜRO und WWF Österreich wiederholt in zahlreichen Stellungnahmen kritisiert bzw. vorgebracht. Darüber hinaus merkte auch die Europäische Kommission in dem – seit bald 10 Jahren anhängigen – Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich (Bund und Länder) zur fehlenden Umsetzung der Aarhus Konvention im Juni 2021 an, dass diese Verordnungen wohl nicht mit dem Unionsrecht vereinbar seien.

VwGH-Entscheidung schafft Rechtsschutzmöglichkeit 

Die fehlende Beschwerdemöglichkeit wurde nun vom VwGH aufgegriffen: Die beiden anerkannten Umweltorganisationen WWF Österreich und ÖKOBÜRO, hatten sich zunächst mit einem Antrag an die NÖ Landesregierung gewandt, mit dem sie diese zur Überprüfung der NÖ-Fischotterverordnung 2019 auf ihre Vereinbarkeit mit der FFH-RL bzw. zu deren Aufhebung aufforderten. Sollte die Landesregierung dem nicht nachkommen, beantragten sie einen Bescheid über die Zulässigkeit dieses Antrages.

Letzterem kam die Landesregierung nach und wies die beiden Umweltorganisationen zurück. Auch das niederösterreichische Landesverwaltungsgericht NÖ (LVwG) sah sich nicht zuständig und wies die gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde mit der Begründung ab, dass nur der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Verordnungen auf ihre Gesetzesmäßigkeit prüfen dürfe.

Gegen diese Entscheidung wandten sich die beiden Umweltorganisationen mit einer außerordentlichen Revision an den VwGH. Letzterer hob das Erkenntnis des LVwG NÖ nun auf.  

Der VwGH stellte in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2023 (Ra 2021/10/0162) fest, dass die Landesregierung aus ihrer Verordnungsermächtigung heraus jederzeit zur Aufhebung und Anpassung ihrer Verordnung ermächtigt ist. Da nach der bisherigen Judikatur des VfGH anerkannten Umweltorganisationen keine Antragsberechtigung und kein Zugang zu Gerichten zukommt, spricht der VwGH weiters unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zur Aarhus Konvention und der EU-Grundrechtecharta aus, dass anerkannten Umweltorganisationen bereits ein Recht auf Teilnahme am behördlichen Verfahren zusteht. Außerdem hält der VwGH fest, dass österreichische Behörden bzw. Gerichte dazu verpflichtet sind, für effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu sorgen.

Mit dieser Entscheidung eröffnet sich nun in Österreich erstmals höchstgerichtlich die Möglichkeit für Umweltorganisationen, gegen Entnahme-Verordnungen, die dem Unionsumweltrecht widersprechen, vorzugehen. Ein Game-Changer im Artenschutzrecht! Angesichts dieser Entscheidung fordern die beiden Umweltorganisationen erneut eine vollständige, rechtskonforme Umsetzung der Aarhus-Konvention in den Bundesländern und eine Rückkehr zur engen Auslegung der Ausnahmetatbestände vom strengen Schutz. In dem Verfahren vor dem VwGH wurden der WWF Österreich und das ÖKOBÜRO vom Grün-Alternative Verein zur Unterstützung von BürgerInneninitiativen (BIV) betreffend Rechtsanwaltskosten unterstützt.

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