17. Juli 2023 | NEWSFLASH Umweltrecht

Anfechtung der EU Notfallmaßnahmen-Verordnung

Im Februar 2023 reichten die beiden anerkannten Umweltorganisationen CEE Bankwatch Network und ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung ein Rechtsmittel (sog. „Request for internal review“, RIR) gegen die Verordnung 2022/2577 des Rates ein, die darauf abzielt, die Verfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in der gesamten EU zu beschleunigen (EU-Notfallmaßnahmen-Verordnung). Grund dafür sind zahlreiche Verstöße gegen internationales und Unionsrecht. Der Fall geht nun zum Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Biodiversität und Energiewende vereinen

Mit der Verordnung 2022/2577 will der Rat der EU Verfahren im Bereich der erneuerbaren Energien beschleunigen. Er tat dies allerdings an der einzigen echten demokratischen Kammer der EU – dem Europaparlament – vorbei und mit zahlreichen Verstößen gegen Völker- und Unionsrecht. Zwar ist die Notwendigkeit der Energiewende seit Jahrzehnten unbestritten, jedoch ist die Aushebelung etablierter Naturschutzsysteme und der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht die geeignete Form, Verfehlungen der Vergangenheit wieder auszubügeln. Mit der Verordnung wird es EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, von der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie von bestimmten Wasser-, Habitat- und Artenschutzbestimmungen gemäß anderen EU-Richtlinien (namentlich der Wasserrahmenrichtlinie, der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie) abzusehen. Dies kann in Gebieten geschehen, die im Rahmen einer strategischen Umweltprüfung ausgewiesen wurden. Es ist zwar wichtig, dass die Energiewende so schnell wie möglich vollzogen wird, doch darf dies nicht geschehen, ohne dass der Schutz der Natur und der Biodiversität gewahrt bleibt.

Die Anfechtung: Request for Internal Review

Am 13. Juni 2023 beantwortete der Rat der EU das im Februar eingebrachte Rechtsmittel und wies die Beschwerdegründe ab. Nun prüfen bankwatch CEE und ÖKOBÜRO mit der Unterstützung des Umweltrechtsnetzwerks Justice & Environment die Anfechtung dieser Beantwortung beim EuGH. Die Abweisung begründet der Rat der EU damit, dass die VO ja nur Mitgliedsstaaten ermächtigen würde, Ausnahmen vom Umweltverträglichkeits- bzw. Naturschutzregime zu machen, sie jedoch nicht dazu zwingen würde. Weiters wäre die Aarhus Konvention – und damit die Öffentlichkeitbeteiligung samt Rechtsschutz – ohnehin in den Erwägungsgründen erwähnt und damit trotz faktischer Streichung dieser Rechte in folgenden Verfahren ausreichend berücksichtigt. Schließlich weist der Rat auch den Vorwurf zurück, die Kompetenzgrundlage der Verordnung im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) überschritten zu haben, indem vorgebracht wird, dass anerkannte Umweltorganisationen nicht das Recht haben, solche Verstöße gegen den AEUV überhaupt vorzubringen.

Diese Argumente überzeugen jedoch nicht, da die Pflicht zur Einhaltung von Völker- und Unionsrecht nicht einseitig durch die EU aufgegeben und den Mitgliedsstaaten übertragen werden kann. So etwa die Prüfung der Protokolle der Alpenkonvention. Auch ist das rein formale Bekenntnis zur Aarhus Konvention und die darauffolgende Aushebelung ihrer Schutzmechanismen nicht mit dem Völkerrecht vereinbar.

Bedeutung und mögliche Folgen

Das Rechtsmittel richtet sich nach herrschender Meinung gegen die Antwort des Rates, nicht jedoch unmittelbar gegen die bekämpfte Verordnung selbst. Aber: es ist zu argumentieren, dass der Rat Umweltrechte im Völker- und Unionsrecht verletzt und somit der EuGH zur inhaltlichen Prüfung der Verordnung selbst berechtigt oder gar verpflichtet ist. Und auch wenn der EuGH dem nicht folgen sollte, ist die Auseinandersetzung des Gerichtes ein wichtiges politisches Zeichen für aktuelle Verhandlungen von weiteren ähnlichen Instrumenten wie dem RePower-EU Paket, den RED Richtlinien, und allenfalls weiteren geplante Notfallmaßnahmen-VO.

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