Lösungen für Konflikte zwischen Bürgerinitiativen und Stromnetzbetreibern

ÖKOBÜRO-Veranstaltung vom 25. Jänner 2018

Stromnetze:
So viel wie nötig, so wenig wie möglich

ÖKOBÜRO lud zur Diskussion über Lösungsvorschläge für einen der heißesten Konflikte der Energiewende: die Auseinandersetzungen zwischen Bürgerinitiativen und Stromnetzbetreibern. In seiner Eröffnung skizzierte ÖKOBÜRO-Geschäftsführer Thomas Alge: "Ein Ausbau des Stromnetzes ist für die Energiewende unvermeidlich, der Grundsatz muss dabei lauten: So viel wie nötig, aber so wenig und so schonend für Mensch und Umwelt wie möglich."

Thomas Alge, ÖKOBÜRO: Den Ausbau des Stromnetzes so schonend wie möglich

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass über die Fragen des „wie viel“ und des „auf welche Art“ in den Projektgenehmigungen nicht konstruktiv verhandelt werden kann. Denn solche Alternativenprüfungen werden von wesentlich grundlegenderen Konflikten überlagert. So herrsche vielerorts in der Bevölkerung tiefes Misstrauen darüber, dass Projekte der in Landesbesitz befindlichen Netzbetreiber von den Landesbehörden geprüft und genehmigt werden. Dieses Misstrauen gegenüber der wahrgenommenen „Verbandelung“ von Projektwerber und Genehmigungsbehörde lasse oft erst überhaupt Bürgerinitiativen entstehen.

Erneuerbare Stromverzeugung steigt – Netzausbau hinkt hinterher

Peter Sinowatz, Geschäftsführer der Netz Burgenland, bemühte sich in seinem Vortrag die Unumgänglichkeit des Netzausbaus zu betonen. Dank des Ausbaus der Windkraft erzeuge das Burgenland seit 2013 mehr Strom als es selbst benötige. Dabei sei an windstarken Tagen die Produktion wesentlich höher als der Verbrauch im Land. So erzeugten burgenländische Windräder zum Beispiel am 11. Dezember 2017 fünfmal so viel Strom wie im Burgenland verbraucht wurde. Der Überschuss von bis zu 800 Megawatt – das entspreche etwa viereinhalbmal der Leistung des Donaukraftwerks Wien-Freudenau – muss in solchen Situationen über ein genügend starkes Netz abtransportiert werden können.

Peter Sinowatz, Netz Burgenland: Der Netzausbau hinkt hinter dem Ausbau der Erneuerbaren her

Außerdem erinnerte Peter Sinowatz an das Ziel im Regierungsprogramm, Österreich bis 2030 bilanziell mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgen zu können. Das erfordere einen weiteren massiven Ausbau vor allem von Windkraft und Photovoltaik, mit dem der Ausbau des Netzes derzeit nicht schritthalten könne. Denn die Errichtung einer neuen Hochspannungsleitung dauere von Beginn der Planung bis zur Inbetriebnahme oft mehr als zehn Jahre, während Windparks meist in weniger als zwei Jahren entstünden.

Keine Öffentlichkeitsbeteiligung ist auch keine Lösung

Im Anschluss berichtete Michael Praschma, Sprecher der oberösterreichischen Bürgerinitiative 110kV adé!, weshalb und wie sie – ganz ohne Beteiligungsrechte in den Verfahren – mittlerweile seit acht Jahren die geplante Freileitung zwischen Kirchdorf und Vorchdorf blockieren und den Fall bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebracht haben.

Als Grundeigentümer durften sie sich am Naturschutzverfahren nicht beteiligen, ihre schriftlich vorgebrachten Argumente und Vorschläge sind von der Behörde nicht berücksichtigt worden. Zudem schien ihnen offensichtlich, dass die Netz OÖ die Rückendeckung der Landesregierung genieße.

Michael Praschma berichtet über den Kampf um Beteiligungsrechte

Daher haben sie damit begonnen, sich mit jedem erdenklichen rechtlichen Mittel zu wehren. Zuletzt führte der Streit darüber, ob die für die Leitung zu rodende Fläche nicht so groß sei, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen sei und damit alle bisherigen Genehmigungen ungültig werden, bis vor den EuGH, dessen Erkenntnis demnächst erwartet wird. Der Generalanwalt schloss sich in seiner Sichtweise bereits jener von 110kV adé an, damit stehen die Chancen gut, dass der EuGH diese ebenfalls bestätigt. Dann begänne der Genehmigungsprozess nach mehr als acht Jahren von vorne – nur diesmal eben mit Parteistellung der Bürgerinitiative, die in der UVP vorgesehen ist.

Genehmigungsverfahren durch Strategische Umweltprüfung entlasten

Abschließend diskutierten am Podium und mit dem Publikum neben Alge, Sinowatz und Praschma auch Waltraud Petek, Leiterin des anlagenbezogenen Umweltschutzes im Umweltministerium sowie Gerhard Christiner, Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers APG. Thomas Alge betonte dabei, dass die Prüfung von Alternativen wie den Ersatz von Freileitungen durch – auch aus dem Publikum vehement geforderte – Erdkabel nicht erst auf der Projektebene unternommen werden kann, sondern bereits auf höherer Ebene Kriterien dafür aufgestellt werden müssten. Dies müsse im Konsens der verschiedenen Interessen geschehen, bevor Projektakten ganze Räume ausfüllten. Er schlug dafür eine Strategische Umweltprüfung (SUP) vor, aus deren Ergebnis die einzelnen Projekte dann ihre Vorgaben ableiten könnten. Außerdem regte er an, beim Umweltministerium eine weisungsfreie UVP-Behörde einzurichten, um Vertrauen in die Unabhängigkeit der Prüfung aufzubauen.

v.l.n.r.: Christiner, Petek, Alge, Sinowatz, Praschma und Moderatorin Monika Auer

Waltraud Petek stimmt Alge zu, dass für die Stromnetzplanungen eine SUP eingeführt werden sollte. Solche Überlegungen seien bisher aber am Wirtschaftsministerium gescheitert. Sie glaube aber nicht, dass eine eigene UVP-Behörde beim Bund eingerichtet werden könne, da die Budgetlage dafür nicht günstig sei. Peter Sinowatz schloss sich der Ansicht Alges und Peteks an, dass eine Alternativenprüfung bereits vor den Genehmigungsverfahren geschehen müsse. Wenn es einmal so weit sei, habe man bereits zu viel Geld in ein Projekt investiert um dann noch alles zu ändern. Praschma betrachtete hingegen die UVP als den richtigen Zeitpunkt für die Alternativenprüfung und forderte eine Änderung des UVP-Gesetzes dahingehend.

Sinowatz und Gerhard Christiner bekräftigten zuletzt noch einmal, dass ein zügiger Netzausbau notwendig sei, da trotz aller Gegenmaßnahmen der Stromverbrauch noch weiter steigen werde. Schließlich sei es das Ziel, bis 2050 weitgehend auf fossile Energieträger auch bei Wärme und Mobilität zu verzichten. Christiner berichtete zudem, dass globale Trends zusätzlich den Stromverbrauch explodieren lassen. So würde allein die Erzeugung der Kryptowährung Bitcoin im Internet so viel Strom benötigen wie ganz Ungarn.