Der ständige Ausschuss der Berner Konvention hat am 03. Dezember in Straßburg entschieden, den Schutzstatus von Wölfen von „streng geschützt“ auf „geschützt" herabzustufen. Der Vorschlag dafür stammte ursprünglich von der EU-Kommission und wurde vom EU-Rat beschlossen. Trotz des Widerstandes zahlreicher Wissenschaftler:innen und Umweltschutzorganisationen wird das Schutzniveau nun gesenkt. Mit weitreichenden Auswirkungen für die EU und Österreich.
Auswirkungen auf Wolfsschutz in EU und Österreich
Die Entscheidung wird die europäische und die nationale Gesetzgebung nachhaltig beeinflussen. Als völkerrechtlicher Vertrag ist die Berner Konvention die Grundlage für den Arten- und Lebensraumschutz in 50 Staaten (darunter auch die EU-Staaten). Die EU setzt die artenschutzrechtlichen Vorgaben in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutzrichtlinie (VS-RL) um. Österreich ist als Mitglied der EU an die FFH-RL gebunden. Sie bildet wiederum die Basis für die Naturschutz- und Jagdgesetze der Bundesländer.
Nach der Entscheidung dauert es nun drei Monate, bis der Schutzstatus im Rahmen der Berner Konvention tatsächlich gesenkt wird. Ein Drittel der Unterzeichnerstaaten könnte in diesem Zeitraum noch ein Veto einlegen. Das gilt aber eher als unwahrscheinlich.
Anschließend wird die EU-Kommission vorschlagen, die FFH-RL zu ändern. Diese Änderung müsste dann einstimmig im EU-Rat beschlossen werden (Art 19 FFH-RL).
Der Schutzstatus des Wolfes aktuell
Der Wolf ist aktuell in Anhang II der Berner Konvention gelistet. Diese Tierarten sind streng geschützt und dürfen nicht gefangen, getötet, gestört oder gehandelt werden. Nur in sehr engen, definierten Ausnahmen kann eine Vergrämung oder Tötung von einem Individuum genehmigt werden. Das gilt auch im EU-Recht: Art 12 der FFH-RL sieht ein Tötungsverbot für streng geschützte Tierarten (=Anhang IV-Arten nach FFH-RL) vor. Ausnahmen von diesem Verbot sind nur unter strengen Voraussetzungen zulässig.
Wird der Schutzstatus des Wolfes herabgestuft, ist er künftig in Anhang III nur mehr „geschützt“. Die absichtliche Tötung von Wölfen ist dann nicht mehr von vornherein verboten. Allerdings gibt es hier einen entscheidenden Faktor: den Erhaltungszustand.
Der Erhaltungszustand bleibt zentral
Auch bei „geschützten“ Arten müssen die Vertragsstaaten einen günstigen Erhaltungszustand herbeiführen. Erst im Sommer 2024 hatte der Europäische Gerichtshof bestätigt, dass der Erhaltungszustand des Wolfs in Österreich ungünstig ist. Arten mit einem ungünstigen Erhaltungszustand dürfen selbst bei herabgestuftem Schutzstatus nur sehr begrenzt bejagt werden. Vielmehr sind Mitgliedstaaten gemäß Artikel 14 der FFH-Richtlinie weiterhin verpflichtet, wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die gerade im Fall eines ungünstigen Erhaltungszustands auch Jagdverbote notwendig machen können. Andere Schutzmaßnahmen könnten in den Jagdgesetzen der Bundesländer definierte Schonzeiten sein. Das zentrale Werkzeug, um den Erhaltungszustand beurteilen zu können ist ein möglichst gutes und aktives Monitoring der Wölfe in Österreich. Das derzeitige System beruht hauptsächlich auf Zufallsfunden, wie ausgelösten Wildtierkameras, Spuren oder ausgewerteten Wolfsrissen.
Kein Schutz von Weidetieren
Die zentrale Konfliktfrage – der Schutz von Weidetieren – wird durch die Herabstufung nicht gelöst. Wolfsbejagung ist kein geeignetes Mittel, um Übergriffe auf Nutztiere nachhaltig zu verhindern. Stattdessen braucht es verbesserte Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune und Herdenschutzhunde, um Mensch-Tier-Konflikte zu minimieren. Der Wolf ist zudem ein wichtiger Teil des Ökosystems, da er natürliche Gleichgewichte fördert, beispielsweise durch die Regulierung von Wildbeständen. Mehr Informationen zur fehlenden Effektivität der Wolfsbejagung oder zum Wolf als Schlüsselart.
Fehlende wissenschaftliche Grundlage für den EU-Vorschlag
Artenschutz muss stets wissenschaftsbasiert erfolgen. Sowohl die Berner Konvention als auch die FFH-RL verweisen auf das Erfordernis wissenschaftlicher Nachweise. Die erforderlichen wissenschaftlichen Nachweise für die Herabsetzung des Schutzstatus wurden im Vorschlag der EU nicht erbracht. Zahlreiche Wissenschaftler:innen kritisieren die fehlende wissenschaftliche Grundlage. Eine ausführliche Analyse findet sich im offenen Brief vom 26. November 2024, veröffentlicht von Green Impact.
Gefahr für den Artenschutz insgesamt
Die Abstimmung über den Wolf könnte ein gefährlicher Präzedenzfall werden und Anlass für Vorschläge zur Herabsetzung des Schutzstatus weiterer streng geschützter Arten geben. Die Funktionen der Tierarten für den Erhalt der Ökosysteme müssen im Fokus bleiben. Eine Aushöhlung der geltenden Schutzstandards ist daher dringend zu vermeiden.