Zuletzt wurden in den meisten Bundesländern Verordnungen erlassen, mit denen die Entnahme – also die Tötung bzw. der Abschuss – unionsrechtlich streng geschützter Arten, wie insbesondere Wölfe, Fischotter und Biber genehmigt wurde. Diese sind nicht nur aus fachlicher Sicht problematisch, sondern verstoßen auch gegen das geltende Unions- und Völkerrecht: So wird etwa die pauschale Beurteilung nicht der Einzelfallprüfung gerecht, wie sie im Hinblick auf Artikel 16 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für derartige Ausnahmegenehmigungen erforderlich ist. Andererseits fehlen Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten für anerkannte Umweltorganisationen, was gegen die Aarhus Konvention verstößt. Eine Aushebelung des europarechtlich gebotenen Rechtsschutzes über den Weg einer Verordnung ist unzulässig und wurde bereits mehrmals von der Europäischen Kommission im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich (2014/4111) moniert.
Die fehlende Beschwerdemöglichkeit gegen solche Verordnungen wurde nun auch vom VwGH aufgegriffen: In seiner Entscheidung vom 13. Juni 2023 (Ra 2021/10/0162) in Bezug auf die NÖ Fischotterverordnung 2019 stellt das Höchstgericht klar, dass die NÖ Landesregierung aus ihrer Verordnungsermächtigung heraus, jederzeit zur Aufhebung und Anpassung ihrer Verordnung ermächtigt ist. Unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zur Aarhus Konvention und der EU-Grundrechtecharta spricht er weiters aus, dass anerkannten Umweltorganisationen (bereits) ein Recht auf Teilnahme am behördlichen Verfahren zusteht. Außerdem hält der VwGH fest, dass österreichische Behörden bzw. Gerichte dazu verpflichtet sind, für effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu sorgen.
Durch die Entscheidung treten die geltenden Entnahme-Verordnungen nicht automatisch außer Kraft. Erstmals wird aber höchstgerichtlich festgestellt, dass anerkannte Umweltorganisationen das Recht haben, die unionsrechtswidrigen Entnahme-Verordnungen von einem unabhängigen Gericht überprüfen zu lassen. Ein Game-Changer im Artenschutzrecht!
Die Entscheidung hat ein breites Medienecho hervorgerufen: Der Standard, Kurier, ORF News, PULS 24, NÖN, Kleine Zeitung, OÖ Nachrichten, ORF noe, Ö1 Abenjournal, Rechtsexperte Ennöckl in Der Standard, Grüner Klub im Parlament
Details und Hintergründe erklärt Gregor Schamschula im ÖKOBÜRO-Umweltrechtsblog.
WWF Österreich und ÖKOBÜRO bedanken sich beim Grün-Alternativen Verein zur Unterstützung von BürgerInneninitiativen (BIV) für die finanzielle Unterstützung im Revisionsverfahren.
Umweltrecht & Agenda 2030:
Der Schutz, die Wiederherstellung und insbesondere die nachhaltige Nutzung von Landökosystemen ist als hohes Schutzgut der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen („SDGs - Sustainable Development Goals") sowohl in der Gesetzgebung als auch im Vollzug zu beachten. Der Wolf ist als Schlüsselart ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems, dämmt den übermäßigen Wildbestand ein, entnimmt alte und kranke Tiere und verhindert Waldschäden. Solche (bedrohte) Arten zu schützen ist ein wesentlicher Bestandteil der SDGs, zu deren Einhaltung sich auch Österreich verpflichtet hat.