27. Februar 2023 | NEWSFLASH Umweltrecht

SLAPP Suits gegen Umweltaktivist:innen auf dem Vormarsch

Strategische Gerichtsverfahren zur Einschüchterung von Umweltaktivist:innen häufen sich auf internationaler aber auch auf österreichischer Ebene. Verschiedene Initiativen sollen die Situation von betroffenen Personen verbessern. 

SLAPP Suits: Was ist das?

Das Akronym “SLAPP” steht für strategic litigation against public participation (Strategische Verfahren gegen öffentliche Beteiligung). Nicht umsonst ähnelt die Abkürzung dem englischen Wort slap für Ohrfeige bzw. Schlag ins Gesicht: denn die Gerichtsverfahren dienen – häufig in rechtsmissbräuchlicher Weise – dem Zweck, Kritiker:innen einzuschüchtern und mundtot zu machen. SLAPPs können sich auf verschiedenste Rechtsgrundlagen stützen; zumeist handelt es sich aber um zivilrechtliche Schadenersatz- oder Unterlassungsklagen bzw. strafrechtliche Prozesse über Kreditschädigung etc. Häufig geht es den Klagenden nicht darum, einen Rechtsstreit tatsächlich zu gewinnen, sondern darum, dass die Beklagten aufgrund von Angst, sich häufenden Prozesskosten oder Erschöpfung zurückziehen und ihre Kritik unterlassen. Dieses Problem ergibt sich auch daraus, dass häufig ein Machtungleichgewicht zwischen den Prozessbeteiligten besteht. Nur zu oft handelt es sich bei SLAPPs um Rechtsmittel, die Unternehmen oder die öffentliche Hand gegen Vertreter:innen der Zivilgesellschaft ergreifen. In letzter Zeit waren es häufig NGOs bzw Individuen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, die von den Einschüchterungsversuchen betroffen waren. 

Am 20. Jänner hat unsere Umweltjuristin Veronika Marhold LL.B. dazu im Rahmen eines Vortrags auf der WU vorgetragen und anschließend mit den anderen Teilnehmer:innen diskutiert. 

SLAPPs auf internationaler und nationaler Ebene

So war das Münchener Umweltinstitut von Strafanzeigen des Südtiroler Landesrats und insgesamt 1.370 Landwirt:innen aus der Region betroffen. Im Vorfeld hatte das Umweltinstitut eine satirische Kampagne gegen den Einsatz von Pestiziden in Südtirolerischen Apfelmonokulturen geführt. In einem ähnlichen Fall wurde eine französische Pestizid-Kritikerin zu einer Geldstrafe von über EUR 125.000,- verurteilt, weil sie Dokumente über Pestizidrückstände in Bordeaux-Wein veröffentlicht hatte.

In Österreich kann als Beispiel für einen Einschüchterungsversuch eine Initiative der Stadt Wien genannt werden, die sich gegen Personen richtete, die an der Besetzung von Baustellen für den damals geplanten Lobautunnel und der Stadtstraße beteiligt waren, bzw. sich gegen den Bau der Infrastrukturprojekte ausgesprochen hatten. Da Aktivist:innen sich weigerten, die Baustellen zu räumen, richtete die Stadt Wien über eine Anwaltskanzlei ein Schreiben an verschiedenste Adressat:innen, in dem bei fortgeführter Besetzung angedroht wurde, dass die beteiligten Personen solidarisch für den Schaden haften würden, der durch die Verzögerung der Bauarbeiten entstehe. Das Problem: Das Schreiben fand seinen Weg nicht nur zu deliktsfähigen Besetzer:innen, sondern auch an 13-jährige Aktivist:innen, die an der Besetzung nie beteiligt waren und andere, nicht aktivistisch engagierte Individuen, die sich lediglich medial negativ über den Bau des Lobautunnels geäußert hatten. 

Doch auch abseits von strategisch geführten Gerichtsverfahren wird der Umgangston gegenüber Umweltschützenden rauer. Während zB Personen, die sich für den Schutz des Wolfes einsetzen, mit Anfeindungen von Landwirt:innen konfrontiert sind, sind es in Bezug auf die “Klimakleber:innen” oft Entscheidungstragende, die Druck ausüben. 

Infolge der Aktionen, bei denen sich Aktivist:innen teilweise auf die Straße klebten, um gegen fehlende Klimaschutzmaßnahme zu protestieren, schlug die wahlkampfwerbende Landeshauptfrau Niederösterreichs eine Novellierung des Versammlungsgesetzes vor und forderte höhere Strafen für Demonstrierende. Bundeskanzler Nehammer kündete kürzlich an, prüfen lassen zu wollen, ob die aktuellen Verwaltungsstraftatbestände im Umgang mit Klimakleber:innen “ausreichend” seien, oder ob Strafverschärfungen notwendig wären. Derzeit stellt die Blockade von Straßen lediglich eine Verwaltungsübertretung nach der StVO dar. Verlangt wird aber gelegentlich eine Strafbarkeit nach dem Vorbild des deutschen Straftatbestandes des “Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr”. Für die Erfüllung dieses Tatbestandes muss die Gefährdung der Verkehrssicherheit allerdings zu einer konkreten Gefährdung von Leib, Leben, oder Eigentum (Wertgrenze EUR 750,-) eines anderen führen, dh es darf lediglich vom Zufall abhängen, ob es zu einem Schaden kommt, oder nicht. Auf Fälle wie die Blockaden durch “Klimakleber:innen”, die bisher nicht ansatzweise zu einer Schädigung von Leib, Leben oder Eigentum Dritter führten, ist der Tatbestand also auch in Deutschland kaum anwendbar. Für konkrete Gefährdungen im Straßenverkehr gibt es aber schon jetzt Straftatbestände wie zB § 177 StGB (Fahrlässige Gemeingefährdung), die breiter formuliert sind und sich nicht explizit auf den Straßenverkehr beziehen. Festzuhalten ist zudem, dass nach der Rsp des EGMR bereits eine Androhung höherer Strafen aufgrund eines Abschreckungseffekts (sog chilling effect) einen Eingriff in das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit darstellen kann. 

Auch EU-Kommission sieht Handlungsbedarf gegen SLAPPs

Die Europäische Kommission hat nun einen Entwurf für eine Anti-SLAPP-Richtlinie veröffentlicht. Die vorgeschlagene Richtlinie bezieht sich auf SLAPPs in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug. Sie soll es Richter:innen ermöglichen, offensichtlich unbegründete Klagen gegen Journalist:innen und Menschenrechtsverteidigende schneller abzuweisen. Außerdem werden mehrere Verfahrensgarantien und Rechtsbehelfe eingeführt, wie zB Schadensersatz und abschreckende Strafen für missbräuchliche Klagen. Die Kommission gab auch eine ergänzende Empfehlung ab, um die Mitgliedstaaten zu ermutigen, ihre Vorschriften an das vorgeschlagene EU-Recht auch für innerstaatliche Fälle und Fälle abseits des Zivilrechts anzugleichen. In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten außerdem aufgefordert, eine Reihe weiterer Maßnahmen zu ergreifen, zB Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen anzubieten, um gegen missbräuchliche Klagen vorzugehen.

Weitere Informationen:

-    Informationen zur Veranstaltung auf der WU: Environmental Defenders – Current Legal Developments and Challenges
-    Entwurf einer Anti-SLAPP-Richtlinie