Am 28.9.2021 fand im Zuge des 1. SDG Dialogforums vier Online-Sessions zu Schwerpunktthemen statt, in denen ausgewählte Teilnehmende aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung sich mit aktuellen Herausforderungen, Good-Practice-Ansätze und Innovationen befassten. Die Themen stützen sich dabei u. a. auf den 1. Freiwilligen Nationalen Umsetzungsbericht Österreichs an die UNO aus 2020. ÖKOBÜRO gestaltete gemeinsam mit den Abteilungen Nachhaltige Entwicklung und Bewusstseinsbildung sowie Koordinierung Klimapolitik des BMK sowie mit Unterstützung von Helga Kromp-Kolb und Moderatorin Juliane Nagiller das Innovationspool „Klimaschutz und Klimawandelanpassung".
Zum Einstieg des Innovationspools sprach Impulsgeberin Sigrid Stagl über planetare Grenzen und Entwicklungen der Entkoppelung (bzw. immer wieder auftretenden „Rekoppelung“) von Wirtschaftswachstum und Umweltverschmutzung, ebenso wie über die Rolle des Finanzsektors. Dabei betonte sie insbesondere den Bedarf an interdisziplinären und synergistischen Maßnahmen (Zu den Vortragsfolien).
In der anschließenden Diskussion drehte sich alles um vier große Themengebiete: Wirtschaft und Klimaschutz; Landnutzung und Biodiversität; Klimawandelanpassung und Präventionsmaßnahmen sowie Lebensqualität und Bewusstsein.
Wirtschaftliche Neuausrichtung mit niedrigen Emissionen?
Im Zuge des ersten Themenblocks identifizierten die Teilnehmenden jene Wirtschaftszweige/-bereiche, die in ihren Augen das größte Potenzial für den Klimaschutz bieten. Dies waren insbesondere der Verkehr, die Energiewirtschaft und das Baugewerbe , doch auch Bildung und Wissenschaft wurden als dringend innovationsbedürftig genannt (Tipp der Teilnehmenden: Klimawandel-Landkarte Österreich des IHS). Zudem nannten Teilnehmende eine Verschiebung der Berufslandschaft in Richtung Dienstleistungen als großen Hebel zur Senkung der Emissionen.
In Hinblick auf die größten Hindernisse, die klimafreundliche Lösungen in der Wirtschaft bremsen, nannten die Teilnehmenden einerseits fehlende Bereitschaft, Lobbying und Greenwashing, und andererseits klimaschädliche Förderungen, mangelhafte gesetzliche Rahmenbedingungen sowie fehlende verbindliche Ausstiegspläne. Als besonders gravierendes Problem sahen die Teilnehmenden mangelnde Investitions- und Planungssicherheit beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien und Methoden. Man dürfe sich aber nicht alleine auf zukünftige Technologien stützen, da diese teilweise noch nicht einsatzfähig seien oder Ressourcen in zu großer Menge benötigen würden (wie etwa grünen Strom für die Wasserstofftechnologie). Carbon-Capture & Storage dürfe beispielsweise kein Freibrief zur Verzögerung beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern sein, sondern nur eine Notfall-Maßnahme.
Im Kontext von Großprojekten und Umweltauflagen wurde einerseits eine Verfahrensbeschleunigung und Erleichterungen für klimafreundliche Projekte gefordert. Mehrere Teilnehmende entgegneten jedoch, dass das Problem vielmehr fehlerhafte Einreichungsunterlagen und wenig vorausschauende Projektplanung im Kontext von Schutzgebieten und Umweltauflagen sei. Kritisiert wurde zudem, dass Klimaschutz im öffentlichen Diskurs als Verzicht, weniger als Vorteil und Chance kommuniziert werde.
Auf die Frage nach besonders zielführenden Maßnahmen für emissionsarme Wirtschaftsweisen wurden allen voran ein CO2-Preis sowie der Mut zu klaren Entscheidungen für obengenannte Probleme genannt. Doch auch eine Vermögenssteuer zur fairen Umverteilung der Kosten, ein globales Lieferkettengesetz für sozialen und ökologischen Welthandel und der Einsatz der Digitalisierung für eine effizientere Gesellschaft wurden vorgeschlagen. Auf individueller Ebene sollten Menschen CO2-intensive oder klimaneutrale Produkte erkennen und sich aktiv entscheiden können.
Landnutzung, Biodiversität und Klimawandelanpassung – ganzheitliche Lösungsansätze gesucht
Wie wir Biodiversität im Kontext von Landnutzungsänderungen besser berücksichtigen können, beantwortete eine Vielzahl der Teilnehmenden mit der Reduktion von Bodenversiegelung und Änderungen in der Raumordnung/-planung. Konkrete Lösungsansätze betrafen beispielsweise Förderungen für Biodiversitätsflächen, eine Versiegelungsabgabe, verpflichtende Biodiversitätsaspekte in Bauprojekten, die Verlagerung der Raumplanungskompetenz weg von der Gemeindeebene oder auch eine Kommunalsteuer. Betont wurde insbesondere, dass natürliche Wälder und Ökosysteme resilienter sind und daher gerade bei Wäldern Qualität vor Quantität stehen sollte.
Auch in Bezug auf Extremwetterereignisse lauteten die Forderungen der Teilnehmenden insbesondere: Bodenversiegelung stoppen und Renaturierungen durchführen, um mittels gesamtheitlicher Lösungen sowohl Klimaschutz als auch sinnvolle Klimawandelanpassung zu ermöglichen. Doch es solle auch das Bewusstsein über Naturgefahren gestärkt werden, um riskante Entscheidungen wie bei der Bebauung von Risikogebieten zu vermeiden. Auch die psychologische Betreuung von aktuell oder zukünftig Betroffenen spiele eine wichtige Rolle.
Wohnen und Mobilität der Zukunft – klimafreundlich & leistbar
Als Antwort auf die Frage, wie ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern gelingen, aber leistbare Raumwärme gesichert werden kann, nannten die Teilnehmenden u.a. mehr Sanierung und starke Förderungen zum Umstieg, Steueranpassungen bzw. Preissteuerung, ein Umstieg auf Wärmepumpen und verpflichtende Photovoltaik und Photothermik auf Neubauten. Doch auch eine Vergesellschaftung der Energieversorgung und das Umdenken bei der Materialverwendung wurden angesprochen. Letztlich wurde noch der Hinweis geäußert, dass ein Vergleich mit anderen Ländern sinnvoll ist, da es bereits viele Erfolgsbeispiele gibt.
Auch für den Mobilitätssektor gab es zahlreiche Vorschläge, darunter: steuerliche Maßnahmen (insb. für Kerosin) und Preisanpassungen, um Bahnfahren günstiger als Fliegen zu machen; ein niederschwelliges und möglichst kostenloses Angebot öffentlicher Verkehrsmittel sowie der Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität, Shared Mobility, Radverkehr u.v.m. Gefordert wurden außerdem Kostenwahrheit im Parkraum, autofreie Städte oder städtische Fahrverbote für emmissionsstarke Fahrzeuge. Als weitere konkrete Lösungen wurden z.B. Bedarfsdienste für ländliche Gegenden oder auch eine Verladeförderung für den Ausbau des Schienentransports im Güterverkehr vorgeschlagen.
Ein besseres Leben durch Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen
Zu Innovationen und Partnerschaften, die unsere Lebensqualität in Anbetracht des Klimawandels verbessern, schlugen die Teilnehmenden insbesondere vor, positive Beispiele zu kommunizieren („Klimaschutz als Chance“) und Hoffnung zu vermitteln, anstatt Verzicht und Bedrohungen. Denn es sei auch zentral, demokratische Mehrheiten für Veränderung zu erlangen und Menschen die Angst vor Veränderung zu nehmen. Gefordert wurde auch der Austausch und die Einbeziehung des Globalen Südens in Entscheidungen, ebenso wie die Beteiligung von jungen Menschen und die Erschaffung von Bürger:innenräten. Weitere Beispiele betrafen die Unterstützung regionaler Wirtschaft, eine Arbeitszeitverkürzung und ein Grundeinkommen, die stärkere Einbindung des Bildungs- und Wissenschaftssystems oder auch veränderte Werthaltungen, beispielsweise ein Fokus auf nichtmateriellen Wohlstand.
In Bezug auf Bewusstseinsbildung gaben die Teilnehmenden zum Abschluss noch an, welche Maßnahmen sie für besonders zielführend halten. Dabei wurden öffentliche Kampagnen (TV, Print, Social Media) sowie ein Unterrichtsschwerpunkt am häufigsten genannt (siehe Menti-Ergebnispräsentation).
Live-Berichterstattung ins Naturhistorische Museum Wien
Im Anschluss an die Session berichteten Leo Hauska und Miriam Schönbrunn live in das Deck 50 des Naturhistorischen Museums, um den Podiumsgästen wesentliche Ergebnisse zu präsentieren und zwei Fragen (s.u.) zu stellen.
Es diskutierten: Bundesministerinnen Karoline Edtstadler und Leonore Gewessler, Bundesminister Wolfgang Mückstein, Sonderbeauftragte des Bundeskanzlers und ThinkAustria-Leiterin Antonella Mei-Pochtler sowie Nicola Brandt, Leiterin des OECD Centre Berlin. Die Ergebnisse der Podiumsdiskussion sind in der Nachlese auf der Website von SDG Watch Austria zu finden.
Wir danken allen Teilnehmenden für das aktive Mitwirken am ersten Innovationspool Klimaschutz und Klimawandelanpassung! Ganz besonderer Dank gebührt dem Team des BMK für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, unserer Moderatorin Juliane Nagiller, der Impulsgeberin Sigrid Stagl sowie den Rapporteur:innen Miriam Schönbrunn und Leo Hauska, ebenso wie Helga Kromp-Kolb, die die Konzeption des IP unterstützt hat. Wir freuen uns bereits auf ein gemeinsam weiterentwickeltes Programm im nächsten Jahr.
Übersicht IP Klimaschutz und Klimawandelanpassung
Juliane Nagiller – ORF, Ö1-Redaktion „Wissenschaft, Bildung und Gesellschaft“ |
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Einstiegsimpulse: |
Sigrid Stagl – Leiterin WU Department für Sozioökonomie; Co-Leiterin WU Kompetenzzentrum für Sustainability Transformation and Responsibility (Zu den Vortragsfolien) |
Rapporteur:innen: |
Leo Hauska – FuturAbility, Vorsitzender, Leiter „Sustainability Index Project“, Mitglied SDG Watch Themeninitiative Wirtschaft Miriam Schönbrunn – Gründungs- und Vorstandsmitglied CliMates Austria |
Leitfragen: |
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Fragen an das Podium |
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Umfrageergebnisse |
Weitere Informationen und Materialien zur Veranstaltung