EuGH gewährt neuen Rechtsschutz
Jeder EU-Mitgliedsstaat muss Luftgütemessstellen errichten und betreiben, um die Qualität der Luft zu messen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sollten die Schwellenwerte der Luftqualitäts-Richtlinie überschritten werden. Dieses System soll sicherstellen, dass die Gesundheit der Bevölkerung geschützt wird, immerhin sind allein Luftschadstoffe aus dem Verkehr weltweit für 385.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich. Sind aber die Luftgütemessstellen nicht richtig positioniert, könnten deren Ergebnisse die Realität nicht korrekt abbilden und so die Gegenmaßnahmen verfälschen. Der EuGH reagierte auf dieses Problem und gewährt mit seinem Urteil C-732/17 der betroffenen Öffentlichkeit nun die Möglichkeit, gegen die falsche Verortung der Messstellen gerichtlich vorzugehen. Konkret sprach der Gerichtshof aus, dass der betroffenen Öffentlichkeit nach dem Prinzip des fairen Verfahrens („fair trial“, Artikel 47 Grundrechtecharta) ein Rechtsschutz zustehen muss. Die Klagenden aus Brüssel können daher nun gegen die aus ihrer Sicht falsche Aufstellung vorgehen. Da es sich aber um ein EuGH-Urteil handelt, ist das Ergebnis auch für Österreich verbindlich.
Rechtsschutz in Österreich
Das Urteil des EuGH gilt auch für Österreich. Das Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) sieht zwar keine Möglichkeit vor, gegen die Messstellen vorzugehen, aber nach geltendem Unionsrecht ist nun von Behörden und Gerichten auch hierzulande der betroffenen Öffentlichkeit Rechtsschutz einzuräumen. Einzelpersonen in den betroffenen Gebieten und Umweltschutzorganisationen können daher künftig direkt gegen die falsche Aufstellung zu Gericht gehen. Der konkrete Weg dorthin ist aber nicht eindeutig, da es noch keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. In Frage kommen mehrere Möglichkeiten: Erstens ein Individualantrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gegen die Messkonzeptverordnung, in der die Messstellen aufgelistet sind. Das wäre die direkteste Möglichkeit mit dem Ergebnis, dass der VfGH den entsprechenden Teil in der Verordnung aufheben würde und das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) die Verordnung reparieren müsste.
Die zweite Möglichkeit wäre eine Konstruktion ähnlich zu den Luftreinhalteprogrammen, bei denen die betroffene Öffentlichkeit bereits jetzt einen Antrag an die Behörde (in diesem Fall das BMNT) stellen könnte, dass die Messstellen umzustellen sind. Der Vorteil davon wäre, dass es im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit unmittelbarer, schneller und einfacher wäre, diese Fragen abzuhandeln. Diese Regelung würde stark von einer gesetzlichen Umsetzung profitieren, um Detailfragen wie Fristen, Zuständigkeiten und dergleichen zu klären. Die dritte Variante wäre schließlich, die Landeshauptleute hinsichtlich ihrer jeweiligen Messstellen beim Landesverwaltungsgericht anzugreifen, indem davon ausgegangen wird, dass es sich beim Aufstellen um schlichte Hoheitsverwaltung handelt.
EuGH erklärt auch Durchschnittsberechnungen für unzulässig
Ein für Österreich nicht direkt wesentlicher Punkt wurde vom EuGH ebenfalls aufgegriffen: Nach der Luftqualitätsrichtlinie ist bei der Überschreitung von Jahresmittelwerten zu reagieren. In Brüssel, der Stadt aus der der konkrete Fall stammt, wurden bisher die Ergebnisse mehrerer Messstellen zusammengefasst und erst wenn dann immer noch eine Überschreitung vorlag, reagiert. Das ist nach EuGH nicht zulässig und wurde bisher in Österreich auch nicht so gehandhabt.
Weitere Informationen:
- Urteil des EuGH im Fall C-723/17 vom 26.6.2019
- ÖKOBÜRO Informationstext zu Rechtsschutz in Verwaltungsverfahren
- ÖKOBÜRO Informationstext zum Recht auf saubere Luft
- Rechtlicher Hintergrund im Umweltrechtsblog
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