Trotz weniger und schneller Verfahren plant die schwarz-blaue Regierung ein Staatsziel Wirtschaftswachstum. Die großen Herausforderungen im Umweltschutz werden ignoriert.
Wien (OTS) - Die Verfahrensdauer für die 25 größten Projekte Österreichs mit erheblichen Umweltauswirkungen (UVP-Verfahren) liegt ab Vollständigkeit der Unterlagen bei unter einem Jahr. Nur vier Prozent aller UVP-Verfahren seit dem Jahr 2000 wurden nicht genehmigt. In nur zwei Verfahren pro Jahr erheben Umweltorganisationen Beschwerden. Thomas Alge, Geschäftsführer und Umweltjurist von ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung: "Die hohen Verfahrensstandards in Österreich haben den Sinn, Umweltschutz und Wirtschaft miteinander zu vereinen. Diese Werte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass Vorhaben mit tausenden Betroffenen und enormen Umweltauswirkungen nicht in drei Wochen rechtsstaatlich abgewickelt werden können. Anderseits gibt es jedoch eine Handvoll Verfahren, die deutlich länger als der Durchschnitt dauern. Anstatt die Verfassung zu ändern und ein funktionierendes System zu gefährden, sollte geprüft werden, was bei diesen Verfahren anders ist als beim schnellen Durchschnitt.“
Österreich profitiert durch seine bestehenden Umweltstandards nicht nur im Hinblick auf Lebensqualität und Gesundheit, sondern auch ökonomisch. Viele österreichische Unternehmen - in der Abfall- und Wasserwirtschaft, im umwelttechnischen Anlagenbau oder im nachhaltigen Lebensmittelhandel – agieren auch international äußerst erfolgreich, viele sind sogar Weltmarktführer. Auch andere Länder zeigen, dass hohe Umweltstandards die Wirtschaft ankurbeln. Dänemark konnte sich in kürzester Zeit als einer der Top-Standorte für die Produktion von Windkraftanlagen etablieren. Schweden und - zumindest bis zum Brexit – auch Großbritannien konnten in den letzten zehn Jahren starkes Wachstum mit ambitioniertem Klimaschutz in Einklang bringen. Bis 2050 rechnet die OECD mit zusätzlichem Wachstum von +2,8 % durch Klimaschutz - rechnet man eintretende und vermiedene Klimaschäden ein sind es sogar + 4,7 %. Umweltstandards nützen daher nicht nur den Menschen und der Umwelt, sondern auch der Wirtschaft.
Fehlende politische Entscheidungen und fehlende Planungssicherheit führen in Verfahren zu Konflikten, können aber dort nicht mehr gelöst werden. Zielkonflikte zwischen Verfahrensdauer, Wirtschaftswachstum, Biodiversitäts-, Klima- und Umweltschutz müssen auf der politischen Ebene angegangen werden, und können nicht auf Verfahrensebene ausgestritten werden. Alge: „Die längst fällige Klima- und Energiestrategie kann hier entlastend wirken. Auch die ohnehin notwendige Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) bietet Österreich einen geeigneten Rahmen, diese Herausforderungen als Chancen zu nutzen und sie zukunftsorientiert zu lösen.“
Effizienzsteigernde Maßnahmen innerhalb der Verfahren wären etwa die Erhöhung der Zahl der Amtssachverständigen, die gesetzliche Umsetzung der Aarhus-Konvention und die Verbesserung der personellen Ausstattung der Behörden. Alge: „Verfahrensbeschleunigung durch sinnvolle Maßnahmen ist möglich. Das Opfern von Umweltschutzstandards ist aber keine davon. Wir erwarten von den NEOS, dass sie sich für eine sachliche Lösung statt dem Staatsziel zur Entwertung des Umweltschutzes einsetzen.“
ÖKOBÜRO ist die Allianz der Umweltbewegung. Dazu gehören 16 österreichische Umwelt-, Natur- und Tierschutz-Organisationen wie GLOBAL 2000, Greenpeace, Naturschutzbund, VCÖ – Mobilität mit Zukunft, VIER PFOTEN oder der WWF. ÖKOBÜRO arbeitet auf politischer und juristischer Ebene für die Interessen der Umweltbewegung.
[Link] (http://www.oekobuero.at/images/doku/fragen-und-antworten-zu-beschwerden-in-uvp-fin.pdf) zu tatsächlichen Verfahrenszahlen und -dauern in Österreich
[Link] (https://www.sdgwatch.at/de/) zur Website von SDG Watch Austria und den Chancen der Nachhaltigkeitsziele
[Link zum Gastbeitrag von Thomas Alge] (https://derstandard.at/2000074395135/Warum-Weltretten-auch-der-Wirtschaft-nuetzt): "Warum Weltretten auch der Wirtschaft nützt"