Die Anlassverfahren
Ausgangspunkt für das Verfahren vor dem VfGH waren zwei Anlassverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG OÖ). Im ersten Fall erteilte die zuständige Behörde eine naturschutzrechtliche Bewilligung für den Neubau einer Bootshütte. Im zweiten Fall ging es um eine naturschutzrechtliche Bewilligung für eine Erdgas-Aufschlussbohrung im Nahbereich eines Naturschutzgebiets. Gegen den ersten Bescheid erhob die OÖ Landesumweltanwaltschaft Beschwerde, gegen den zweiten Bescheid gingen mehrere anerkannte Umweltorganisationen vor.
Gesetzlicher Ausschluss der aufschiebenden Wirkung
Wenn eine Bescheidbeschwerde aufschiebende Wirkung hat, darf ein Bescheid nicht vollzogen werden, bis nicht über seine Rechtmäßigkeit entschieden wurde. Naturschutzrechtlich bewilligte Vorhaben dürfen daher bei Bestehen der aufschiebenden Wirkung nicht beginnen, solange das Beschwerdeverfahren nicht abgeschlossen ist. Das soll verhindern, dass Schäden entstehen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen kommt einer Bescheidbeschwerde automatisch aufschiebende Wirkung zu. Diese kann im Einzelfall bei Gefahr im Verzug und nach Abwägung der relevanten Interessen behördlich ausgeschlossen werden. In Abweichung von dieser allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regelung sah das OÖ NSchG (§ 43a) einen umgekehrten Mechanismus vor, nämlich den automatischen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung. Auf Antrag konnte die aufschiebende Wirkung nach Abwägung der relevanten Interessen behördlich zuerkannt werden.
Die Beschwerdeführenden der beiden Anlassverfahren beantragten jeweils die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerden. Die zuständige Behörde wies die Anträge ab. Nach Erhebung der Bescheidbeschwerden beantragte das LVwG OÖ die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der OÖ NSchG-Bestimmung zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.
Entscheidung des VfGH
In der Entscheidung betont der VfGH, dass ein genereller Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes widerspricht. Ein genereller Ausschluss liegt vor, wenn die aufschiebende Wirkung nicht einmal per Antrag herbeigeführt werden kann. Rechtsmittel müssen effektiv sein. Bleibt eine Beschwerde ohne jeglichen Einfluss auf die Umsetzung, ist sie wirkungslos.
Da die gegenständliche Bestimmung im OÖ NSchG die aufschiebende Wirkung nicht generell ausschloss, sondern deren Zuerkennung per Antrag ermöglichte, hat der VfGH keine Verfassungswidrigkeit aufgrund fehlender Effektivität gesehen.
Der VfGH hat die Bestimmung des OÖ NSchG allerdings als nicht erforderlich gewertet, woraus sich ihre Verfassungswidrigkeit ableitet. Da es bereits im allgemeinen Verwaltungsrecht die Möglichkeit gibt, die automatisch bestehende aufschiebende Wirkung von Beschwerden behördlich auszuschließen, ist der naturschutzgesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht erforderlich. Der VfGH betont dabei auch, dass aus der Umsetzung eines naturschutzrechtlich bewilligten Vorhabens mitunter irreversible Nachteile für die Natur und Landschaft resultieren können.
Die Bestimmung des OÖ NSchG war somit als verfassungswidrig aufzuheben. Für die aufschiebende Wirkung von Beschwerden nach dem OÖ NSchG gelten daher die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen, wonach der Beschwerde die aufschiebende Wirkung grundsätzlich zukommt und nach einzelfallbezogener behördlicher Prüfung ausgeschlossen werden kann. Die Möglichkeit irreversibler Naturschäden ist dabei zentral zu berücksichtigen.
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