Bereits im Jahr 2010 reichte ÖKOBÜRO eine Beschwerde beim Aarhus-Einhaltungsausschuss wegen mangelhafter Umsetzung der Rechte der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten ein. Der Ausschuss entschied, dass tatsächlich Nachbesserungsbedarf bestehe. Insbesondere müsse sichergestellt sein, dass Umweltschutzorganisationen in allen Materiengesetzen, die die Umwelt betreffen Zugang zu Gerichten zur Überprüfung von behördlichen Entscheidungen haben und auch deren Unterlassungen geltend machen können. Dazu zählen nicht nur Bescheide, sondern auch Verordnungen, Pläne und Programme.
In den folgenden Jahren wurde Österreich wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass und wie die Verpflichtungen aus der Aarhus-Konvention umzusetzen seien. Bis 1. Oktober 2024 sollte die Republik nun in einem Endbericht darlegen, wie die Empfehlungen des Ausschusses realisiert wurden. Der finale Umsetzungsbericht zeigt jedoch, dass in Österreich immer noch gravierende Lücken und somit Völkerrechtsverstöße bestehen:
- Keine Rechtsschutzmöglichkeiten, die über europarechtlich determinierte Umweltschutzvorschriften hinausgehen: In den meisten Materiengesetzen, darunter allen Naturschutzgesetzen haben Umweltschutzorganisationen, wenn überhaupt, nur Anfechtungs- und Beteiligungsmöglichkeiten in Bezug auf Bestimmungen aus dem EU-Umweltrecht. Die Aarhus-Konvention bezieht sich jedoch auf das gesamte Umweltrecht und nicht ausschließlich auf Bestimmungen aus dem Europarecht. In einigen umweltrelevanten Bereichen, wie zB im Forstrecht sehen die nationalen Gesetze immer noch keine Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten vor.
- Keine Möglichkeit gegen behördliches Unterlassen, Pläne, Programme und Verordnungen vorzugehen: In diesen Bereichen wurden die Rechte aus der Aarhus-Konvention durch den Österreichischen Gesetzgeber nicht umgesetzt. Dies sorgt dafür, dass beispielsweise Raumordnungsprogramme nicht aus umweltrechtlichen Gründen durch Umweltschutzorganisationen angefochten werden dürfen und schränkt somit deren Mitspracherechte in essenziellen Bereichen des Umweltschutzes stark ein. Auch der Rechtsschutz gegen Verordnungen ist stark mangelhaft – zwar anerkannte der VwGH eine Möglichkeit diese aus europarechtlichen Gründen anzufechten, garantiert jedoch keinen aufschiebenden Rechtsschutz. Dadurch kann es gerade im Artenschutz oftmals zum Zeitpunkt der Entscheidungen der Instanzen zu spät sein – weil geschützte Tiere bereits abgeschossen wurden - und Rechtsschutz damit ins Leere gehen.
- Keine Beteiligung in strafrechtlichen Belangen: Die Beteiligung von Umweltschutzorganisationen in Strafverfahren, die die Umwelt betreffen ist in Österreich überhaupt nicht umgesetzt. Das führt dazu, dass bei Themen wie Wildtierkriminalität keine allgemeinen Naturschutzinteressen in Verfahren eingebracht werden können.
- Zu strenge Anerkennungskriterien für Umweltschutzorganisationen: Um als anerkannte Umweltorganisation Verfahrensrechte wahrnehmen zu können, müssen österreichische Organisationen 100 Mitglieder nachweisen und dies auch alle drei Jahre erneut vorweisen. Das schließt vor allem regionale Organisationen in den Bundesländern von der Teilnahme an wichtigen regionalen Verfahren aus. Entgegen der ausdrücklichen Feststellung des Ausschusses, dass dies nicht der Konvention entspreche, begründet Österreich im Bericht dieses Kriterium unter anderem mit der Beschleunigung der Energiewende. Nachgewiesenermaßen liegt jedoch die Verfahrensverzögerung nicht bei Umweltschutzorganisationen, sondern an mangelhaften Projektunterlagen und fehlenden Behördenressourcen.
Besonders hervorzuheben ist auch, dass im eingereichten Bericht Österreichs auf eine komplette Auflistung der relevanten Gesetzesmaterien für den Zugang zu Gerichten im Umweltrecht verzichtet wird, weil dies aufgrund deren Vielzahl “unmöglich” sei. Österreichische Umweltschutzorganisationen fordern unter anderem aufgrund der Fragmentierung dieser Bestimmungen seit langem ein generelles Gesetz, dass die Beteiligungs- und Rechtsschutzrechte für das gesamte Umweltrecht regelt. In Deutschland existiert bereits ein solches “Umwelt-Rechtsbehelfs-Gesetz".
Die Lücken in der österreichischen Aarhus-Umsetzung wurden auch durch die Europäische Kommission aufgegriffen, die seit 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich führt. Nachdem im November 2023 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik übermittelt wurde, die als letzter Schritt vor Klageerhebung vor dem EuGH vorgesehen ist, bleibt es eine Frage der Zeit, bis sich Österreich auch bald vor dem EuGH für die mangelhafte Umsetzung verantworten muss.