VwGH-Entscheidung fordert Beteiligung von Umweltschutzorganisationen
Mit der Erlassung der Fischotter-Verordnung im Jahr 2019 ist die NÖ Landesregierung auf den Trend aufgesprungen, Entnahmen von artenschutzrechtlich streng geschützten Tierarten nicht mehr mittels Einzelfallprüfung und Bescheid, sondern per Verordnung zu regeln. ÖKOBÜRO - Allianz der Umwelt-bewegung und WWF Österreich haben im Jahr 2020 einen Antrag auf Überprüfung gegen diese Ver-ordnung gestellt.
Der Grund: Laut der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) dürfen streng geschützte Tiere wie der Fischotter nur im Einzelfall getötet werden – und erst, wenn alle gelinderen Mittel genau geprüft und ausgeschöpft wurden. Entnahme-Verordnungen ermöglichen diese Prüfung nicht. Außerdem sieht die von Österreich ratifizierte Aarhus-Konvention seit 1998 eine effektive Beteiligung und Rechts-schutz für die (betroffene) Öffentlichkeit vor. Diese wurde bei der Erstellung der Verordnung aller-dings beide nicht berücksichtigt.
Der Überprüfungsantrag landete über mehrere Instanzen hinweg beim VwGH. Am 13. Juni 2023 entschied dieser, dass anerkannten Umweltorganisationen im Zusammenhang mit dem Unionsumweltrechts grundsätzlich (bereits) am behördlichen Verfahren ein Recht auf effektive Beteiligung zu-steht. Dabei stützte er sich auf Art 6 der Aarhus Konvention. Darüber hinaus müssen Behörden und Gerichte für einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sorgen, was mit Art 47 GRC (EU-Grund-rechtecharta) begründet wird. Die Erlassung einer Verordnung stelle laut VwGH keine Rechtfertigung für die Versagung eines unionsrechtlich gebotenen Anspruchs dar.
Weitere Fischotter-Verordnung ohne Einbezug von Umweltorganisationen
Obwohl die NÖ Landesregierung durch die VwGH-Entscheidung zu einer Ersatzentscheidung kommen müsste, ist das bis heute nicht passiert. Stattdessen hat die Landesregierung eine weitere Fischotter-Verordnung erlassen, die fast inhaltsgleich zu der Verordnung aus dem Jahr 2019 ist. Diese Verordnung ermöglicht Entnahmen von Fischottern bis in das Jahr 2029. Trotz des VwGH-Spruchs hatten Umweltschutzorganisationen auch hier erneut keine Möglichkeit auf Beteiligung. Im Rahmen der Ver-ordnungserlassung wurde zwar ein Begutachtungsverfahren durchgeführt, allerdings wurde dem WWF Österreich der Begutachtungsentwurf zu der gegenständlichen NÖ Fischotter-VO nicht einmal zugestellt. Dadurch hat eine Beteiligung des WWF an dem artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren nicht stattgefunden. Auch würde ein bloßes Stellungnahmerecht nicht der Definition einer effektiven Beteiligung genügen.
Der VwGH betonte, dass das Recht auf Teilnahme (bereits) am behördlichen Verfahren anerkannten Umweltorganisationen basierend auf Art 6 der Aarhus Konvention und Art 47 GRC zusteht. Wird der Begutachtungsentwurf einer anerkannten Umweltorganisation nicht einmal zugestellt, kann keine der Aarhus Konvention entsprechende Öffentlichkeitsbeteiligung gewährt werden. Generell hat das gegenständliche Begutachtungsverfahren den Anforderungen einer effektiven Öffentlichkeitsbeteili-gung nicht entsprochen. Die NÖ Landesregierung traf ihre Pflicht nicht, die Äußerungen der anerkannten Umweltorganisationen bei der Finalisierung der Verordnung nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens zu berücksichtigen.
Das Missachten der VwGH-Entscheidung führt zu anhaltender Rechtsverletzung und dadurch zu einem Zustand, der mit dem rechtsstaatlichen Grundprinzip nicht vereinbar ist.
Weitere Informationen:
Entscheidung des VwGH vom 13. Juni 2023, Ra 2021/10/0162