19. April 2023 | NEWSFLASH Umweltrecht

Öffentlichkeitsbeteiligung in Nationalen Energie- und Klimaprogrammen

Die Energy Governance Verordnung (VO (EU) 2018/1999)) begründet Berichtlegungs- und Maßnahmenpflichten für die Mitgliedsstaaten, um die internationalen Verpflichtungen sowie die eigenen klima- und energiepolitischen Ziele der EU zu erfüllen. Dabei haben die Mitgliedstaatenaufgrund der Bestimmungen der Verordnung selbst, sowie gemäß den Anforderungen der AarhusKonvention dafür zu sorgen, dass sich die Öffentlichkeit auch bei der Aktualisierung der NEKPs wirksam beteiligen kann.

Erstellung von integrierten nationalen Energie- und Klimaplänen

Gemäß Art 3 der Energy-Governance-VO hat Österreich Ende 2019 erstmals einen integrierten nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) an die EU-Kommission übermittelt. Die folgenden Pläne sind in einem Intervall von zehn Jahren anzufertigen. Der aktuelle NEKP Österreichs behandelt die Periode 2021-2030. Darin werden die aktuelle Situation, Zielsetzungen sowie konkrete Maßnahmen zu deren Umsetzung in den fünf Dimensionen der Energieunion dargestellt: Sicherheit der Energieversorgung, Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Dekarbonisierung sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.


Die EU-Kommission bewertet jeden NEKP auf dessen Auswirkung auf die klima- und energiepolitischen Ziele der Union. Die Mitgliedsstaaten haben im Zwei-Jahres-Abstand über die Fortschritte bei der Umsetzung des NEKP zu berichten. Der erste NEKP soll bis 30. Juni 2023 aktualisiert werden (Art 14 Energy-Governance-VO). Danach ist eine Aktualisierung der NEKPs ebenfalls im Abstand von zehn Jahren vorgesehen. Bei der Aktualisierung soll jeweils ein erhöhtes Ambitionsniveau berücksichtigt werden.

Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Aktualisierung der NEKP

Art 10 Energy-Governance-VO sieht die Konsultation der Öffentlichkeit im Zuge der Erstellung des NEKP vor. Dies soll durch die frühzeitige Information über den Entwurf des NEKP, den Zugang zu allen relevanten Dokumenten, sowie ausreichend lange Fristen für Stellungnahmen gewährleistet werden. Eine Zusammenfassung der Stellungnahmen ist von den Mitgliedstaaten an die Kommission weiterzuleiten. Konsultationen sollen mit Interessensgruppen wie den Sozialpartner:innen und Organisationen der Zivilgesellschaft, aber auch der breiten Öffentlichkeit durchgeführt werden. Die Öffentlichkeitsbeteiligung soll in einem transparenten und fairen Rahmen gestaltet werden, um eine gleichberechtigte Beteiligung zu ermöglichen. Der transparente Rahmen soll dabei sowohl für die Entscheidungsfindung im Aktualisierungsprozess selbst gelten, als auch Bürger:innen die Möglichkeit geben, dessen Verfahren und Entscheidungen anzufechten.


Aus der Energy-Governance-VO ergibt sich zwar keine Verpflichtung, die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung zu berücksichtigen. Jedoch schreiben schon die meisten nationalen Verwaltungsrechtsbestimmungen vor, dass Entscheidungen von Behörden schriftlich begründet werden müssen. Die Behörden müssen die NEKPs daher unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen und Stellungnahmen verfassen, und die Zurückweisung von Anmerkungen substantiiert begründen können.


Art 14 Abs 6 Energy-Governance-VO sieht durch einen Verweis auf Art 10 vor, dass auch bei der Aktualisierung der NEKPs die Öffentlichkeit zu konsultieren ist. Dafür sollten Informationen über die analytischen Grundlagen der NEKPs auf einer Online- Plattform gemäß Art 28 EnergyGovernance-VO bereitgestellt werden. Weitere Informationsquellen für die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Aktualisierung der NEKPs sind Informationen, die gemäß den nationalen Rechtsvorschriften in Umsetzung des Art 3 der Umweltinformations-Richtlinie (UI-RL) angefordert werden, sowie solche Umweltinformationen, die gemäß Art 7 UI-RL von den Mitgliedstaaten zu verbreiten sind.

Rechte aus der Aarhus Konvention sind zu berücksichtigen

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bei der Konzeption von NEKPs die Beteiligung der Öffentlichkeit bei umweltbezogenen Plänen, Programmen und Politiken gemäß Art 7 Aarhus Konvention (AK) zu gewährleisten. Das ACCC hat jedoch schon 2021 festgestellt, dass Art 10 Energy-Governance-VO die Anforderungen des Art 7 Aarhus-Konvention unzureichend umsetzt.

Wird das Modell des Art 6 Abs 2 AK der Informationsbeschaffung über NEKPs zugrunde gelegt, kann argumentiert werden, dass die Mitgliedstaaten Informationen über den Wirkungsbereich und das Entstehungsverfahren des NEKP sowie zu den entscheidenden Behörden bereitzustellen haben. Weiters sind Informationen über die Rahmenbedingungen der Öffentlichkeitsbeteiligung mitzuteilen, insbesondere zum Beginn des Verfahrens, zu geplanten öffentlichen Anhörungen, zu Beteiligungs- und Stellungnahmemöglichkeiten, sowie zu Bedingungen der Einsichtnahme in die relevanten Unterlagen. Ebenso ist eine Auskunft darüber zu erteilen, welche relevanten 
Umweltinformationen zur Verfügung stehen. Gemäß der Aarhus-Konvention ist ein sehr umfassender Teil der Öffentlichkeit miteinzubeziehen.

Öffentlichkeitsbeteiligung durch Klima- und Energiedialoge

Artikel 11 Energy-Governance-VO sieht vor, dass Mitgliedstaaten nach ihren nationalen Vorschriften einen mehrstufigen Dialog über klima- und energiepolitische Fragen einrichten. Dabei sollen sich Gebietskörperschaften, verschiedene Interessensgruppen sowie die breite Öffentlichkeit aktiv in die Diskussion über die verschiedenen (Langzeit-)Szenarien zur Klima- und Energiepolitik sowie deren Entwicklung einbringen können. Im Rahmen dieses Dialogs können auch die NEKPs erörtert werden. Nationale Klima- und Energiedialoge können auch geeignet sein, die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß Art 7 AK umzusetzen. Entwürfe zu NEKPs haben auch eine  Beschreibung der eingerichteten Klima- und Energiedialoge zu enthalten. Da Art 11 EnergyGovernance-VO jedoch die Rahmenbedingungen solcher Dialoge nicht definiert, ist die Feststellung und Sanktionierung der Nichteinhaltung von Art 11 Energy-Governance-VO durch Mitgliedstaaten schwer durchführbar.

Weitere Informationen:


Briefing des European Environmental Bureau zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Aktualisierung von Nationalen Klima- und Energieplänen

Verordnung (EU) 2018/1999 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz

Entscheidung des Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC), Oktober 2021