Kern der Notverordnung ist die Verankerung eines überwiegenden öffentlichen Interesses für Erneuerbare-Energien, welche eine nur oberflächliche Umweltprüfung In Natura 2000-Gebieten und national ausgewiesenen Schutzgebieten rechtfertigt. Dabei wird ein Fokus auf Solarenergie auf bestehenden Gebäuden und die Installation von Wärmepumpen gelegt, was durchaus sinnvoll ist. Höchst problematisch ist hingegen die Aushebelung von wichtigen Umweltstandards und die damit einhergehende potenzielle Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung wie sie auch im REPowerEU-Paket geplant ist.
Trotz dieser erheblichen Eingriffe ist fraglich, ob die Maßnahmen überhaupt zur Beschleunigung einer Energiewende führen können. Ein wesentlicher Hindernisgrund der Energiewende sind fehlende Behördenressourcen. Ohne mehr Geld für die Verwaltung werden die vorgesehenen kürzeren Fristen für Genehmigungsverfahren zu einer Überforderung bei den Behörden führen, da diese die Flut von Anträgen in der kurzen Zeit nicht bewältigen werden können.
Es ist zudem fraglich, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen dem Ziel und Zweck der Bestimmungen für Notverordnungen nach Art 122 Abs 1 AEUV entsprechen, da die Bestimmung auf Sofortmaßnahmen abzielt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen haben aber keine kurzfristige Wirkung, da auch der schnellste Genehmigungsprozess ein paar Monate braucht. Damit bestehen ernstzunehmende Bedenken gegenüber der Rechtstaatlichkeit, welches einen Grundpfeiler der EU darstellt.
Darüber hinaus kommt dieser Vorschlag zu einem Zeitpunkt, an dem inhaltsgleiche Maßnahmen im laufenden Prozess zum RePowerEU-Paket verhandelt werden. Dadurch entsteht die Gefahr, dass das EU-Parlament ins Abseits gedrängt wird, und es stellt sich die Frage wie die Notverordnung inhaltlich in Relation zum RePowerEU-Paket zu sehen ist. Der politische Kurs der EU zeigt jedoch in eine eindeutige Richtung: Deregulierung zulasten von Natur und Menschen und zugunsten von Unternehmen im Namen der Energiewende.