Tiroler Wölfe: LVwG Tirol stellt Vorabentscheidungsersuchen an EuGH
Am 22. August 2022 hat das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) den Beschwerden von ÖKOBÜRO, WWF Österreich, Umweltdachverband und Naturschutzbund Österreich gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. Juli zur Entnahme des Wolfes 158 MATK insofern stattgegeben, als es den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat. Ein Abschuss des verfahrensgegenständlichen Wolfsindividuums ist daher vorerst nicht mehr zulässig, worüber die Jagdausübungsberechtigten auch umgehend per SMS informiert wurden. Betreffend die Sache selbst hat das Tiroler Verwaltungsgericht beschlossen, dem EuGH mehrere Fragen zur Rechtsauslegung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie vorzulegen und hat das laufende Beschwerdeverfahren bis zum Abschluss des Vorabentscheidungsverfahrens ausgesetzt.
Die dem EuGH vorgelegten Fragen betreffen neben dem Gleichheitsgrundsatz insbesondere die Definition des Erhaltungszustandes: So möchte das LVwG Tirol vom EuGH wissen, ob der günstige Erhaltungszustand von Wölfen – der für den Abschuss der streng geschützten Art Wolf (canis lupus) laut Unionsrecht eine Voraussetzung ist – auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu beziehen ist, oder ob es für die Entnahmeentscheidungen ausreicht, wenn der günstige Erhaltungszustand im natürlichen Verbreitungsgebiet einer Population gegeben ist. In diesem Fall könnten in die Beurteilung also auch die Wölfe der österreichischen Nachbarstaaten einbezogen werden, welche eine deutlich höhere Wolfspopulation aufweisen als Österreich. Eine weitere Frage betrifft die Auslegung des „ernsten drohenden Schadens“ – insbesondere im Hinblick darauf, dass einige betroffene Almen laut Aussagen der Tiroler Landesregierung angeblich nicht schützbar sind.
Anerkennung der aufschiebenden Wirkung in zwei weiteren Entnahmeverfahren
Zudem wurden von der Tiroler Landesregierung am 8. September 2022 zwei weitere adulte Wölfe mit der Bezeichnung 151 MATK und 165 MATK sowie zwei beliebig auszuwählende Jungwölfe aus dem Hochstadel-Wolfsrudel, jeweils befristet bis zum 30. September, zum Abschuss freigegeben. Mit den zuletzt erhobenen Beschwerden gegen diese beiden Entnahmebescheide haben WWF Österreich und ÖKOBÜRO nun ebenfalls erreicht, dass die vier Wölfe vorläufig – solange das Beschwerdeverfahren läuft – nicht entnommen werden dürfen. Ein Erfolg für den Artenschutz! Schließlich handelt es sich beim Hochstadel-Wolfsrudel um das erste nachgewiesene Rudel im alpinen biogeografischen Raum!
Bis zum Abschluss des Vorabentscheidungsverfahrens in der oben genannten Sache hat das LVwG Tirol auch diese beiden Beschwerdeverfahren ausgesetzt. Mit einer Beantwortung der vorgelegten Fragen durch den EuGH ist wohl erst in einigen Monaten zu rechnen.
Artenschutz ist Teil von SDG 15 – Leben an Land. Die Beschwerden gegen die Vollstreckungsbescheide tragen zu SDG 16 bei.