Bericht über den Beitrag von Leonhard Zwiauer, Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) der Schweiz, vom 12.9.2022. (Zur gesamten Nachlese der Veranstaltung)
Das Schweizer Modell
Wie in Österreich obliegt die allgemeine Raumplanung den Kantonen und Gemeinden. Anders als in Österreich hat der Bund in der Schweiz eine Gesetzgebungskompetenz für Raumordnung. Wenn Art. 75 der Schweizer Bundesverfassung dem Bund die Regelung der „Grundsätze der Raumplanung“ zuweist, dann ist damit nicht eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz wie in Österreich gemeint, sondern die Regelungskompetenz für das Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG), welches den ganzen Rahmen, die Ziele und Planungsgrundsätze und Maßnahmen der Raumplanung zusammen mit der vieles konkretisierenden Raumplanungsverordnung (RPV) regelt. Insbesondere sind dort wesentliche Gebote der Raumplanung wie Abstimmung, Zusammenarbeit und Kooperation, Planungspflicht und Koordination abgebildet. Daneben besteht noch eine Regelungskompetenz der Kantone für Ausführungsvorschriften.
Förmlicher Planungsprozess
Alle Gebietskörperschaften sind zu förmlichen Planungen verpflichtet, wenn sie sich raumwirksam betätigen (Art 2 RPG; Art 1 und 14 RPV). Jeder Kanton erstellt einen Richtplan (Art 6ff RPG; Art 4ff RPV), der Bund Konzepte und Sachpläne (Art 13 RPG; Art 14 ff RPV), die unterste Ebene sind die Nutzungspläne, die meist die Kommunen machen (Art 14ff RPG; Art 30a ff RPV). Sachpläne gehen weiter als Konzepte und enthalten auch räumlich und zeitlich konkrete Aussagen und Anweisungen an die zuständigen Bundesbehörden (Art 14 Abs 3 RPV).
Verpflichtende Abstimmung
Kantone und Bundesstellen sind zur gegenseitigen Abstimmung verpflichtet. Wer Abstimmungsbedarf sieht, kann eine Abstimmung verlangen, auch vom Nachbarkanton (Art 6 und 7, 11 u 25a RPG; 5, 10 18 und 19 RPV). Im Konfliktfall gibt es ein Bereinigungsverfahren, bei Nichteinigung entscheidet am Ende der Bundesrat (Art 12 RPG; Art 20 RPV). Das gilt nur für Kantone und Bundesstellen, nicht aber automatisch für Gemeinden (Art 26 RPV). Die überkommunale Abstimmung ist in den einzelnen Kantonen unterschiedlich geregelt und wird immer wieder vom Bundesamt angemahnt. Wenn sich zwei Gemeinden nicht einig sind, entscheidet auch nicht der Bundesrat.
Vorgaben für Abstimmung und Verfahren
Für die Erstellung von Plänen gelten Vorgaben, das Vorgehen bei der Abstimmung regeln Verfahrensbestimmungen. Wer plant, muss Alternativen und Varianten sowie die Vereinbarkeit mit der sonstigen Gesetzgebung, insbesondere der Umweltgesetzgebung, prüfen (Art 2, 15 und 21 RPV). Die Pläne sind ab Genehmigung auch für Dritte verbindlich und können dann nur mehr in einem neuen Verfahren abgeändert werden. Konkret sind Sach- und Richtpläne behördenverbindlich (Art 9 u 11 RPG; Art 22 u 23 RPV), Nutzungspläne grundeigentümerverbindlich (Art 21 und 26 RPG). Das vermittelt Planungssicherheit.
Rechtliche Überprüfbarkeit
Die Pläne sind auch rechtlich überprüfbar (Art 33ff RPG; Art 3 RPV), jedenfalls indirekt im nachfolgenden Projektgenehmigungsverfahren (vorfrageweise Überprüfung - Art 3 RPV). Es gibt Bestimmungen für die Einbeziehung der Kommunen und der Öffentlichkeit (vorfrageweise Überprüfung - Art 3 RPV). Fachstelle des Bundes ist das Bundesamt für Raumentwicklung, das alle Prozesse fachlich begleitet, koordiniert und technische Richtlinien erstellt und zu Bundesvorhaben Stellung nimmt.
Zur Erstellung von Sachplänen
Sachpläne können nur dort ergehen, wo eine klare Bundeszuständigkeit besteht (siehe http://www.sachplan.ch). Eine solche besteht z.B. zum Transport von Energie (Art 91 der Schweizer Bundesverfassung), nicht jedoch zu den erneuerbaren Energien (Art 89 der Schweizer Bundesverfassung) und für den Bereich Wasser (76 der Schweizer Bundesverfassung). So gibt es nur einen Sachplan Übertragungsleitungen (SÜL), der gerade wieder in Überarbeitung ist. Fast alle Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien (Wasserkraft, Solarenergie, Windkraft, Biomasse, Abwärme, Geothermie) unterliegen dagegen kantonalem Recht.
Die wichtigste und aufwendigste Phase bei der Erarbeitung von Sachplänen ist die Phase der Zusammenarbeit (Art 18 RPV), in der die kantonalen Fachbehörden, mit denen des Bundes um die neue inhaltliche Abstimmung ringen, wobei auf dieser Ebene auch immer die Vereinbarkeit mit der übrigen Gesetzgebung ins der Umweltgesetzgebung mit-sicherzustellen ist (Art 15 Abs 3 RPV), so lautet eine der Thesen des Referenten für die Diskussion. Fallweise werden in dieser Phase sogar Mitwirkungsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit – gleichsam als Trainingsfeld für künftige gerichtliche Auseinandersetzungen - eingeräumt, weil das zuverlässig auch Schwachpunkte der Planung ans Licht bringen und die Akzeptanz fördert. So können gute und alle Aspekte mitberücksichtigende Planungen zwar keine Rechtsmittelverfahren gegen die Projekte, die sich auf den Sachplan stützen, verhindern. Aber sie sind die Basis für die gerichtliche Bestätigung des Projekts.
Eine weitere These lautet, dass zweckmäßig gemachte formale Planungsverfahren helfen, die nötige Abstimmung zwischen den verschiedenen Behörden zu organisieren und die wesentlichen Aspekte im Auge zu behalten. Solche Planungsverfahren können dann auch die nachfolgenden Projektgenehmigungsverfahren entlasten. Außerdem erhöht der formale Entscheid die Rechtssicherheit der Projektierenden. In der Tat ist die hohe Regelungsdichte samt den mehrfachen Planungsebenen bemerkenswert und hat im österreichischen Recht keine Entsprechung. Zu dieser Entwicklung in der Schweiz mag auch das hohe Ausmaß an direkter Demokratie beigetragen haben, so der Referent.
Herausforderungen bei der Energieraumplanung in der Schweiz
In diesem Abschnitt stellte Leonhard Zwiauer einige spezielle Fragestellungen, die sich bei der Planung von Elektrizitätsproduktions- und-verteilungsanlagen in der Schweiz stellen. Das herausragenden Streitthema bei Übertragungsleitungen ist die Frage der Verkabelung. Hier ist der Gesetzgeber tätig geworden (Art 15b ff Elektrizitätsgesetz, Art 11b ff Leitungsverordnung). In Hinblick auf die breite Zuständigkeit der Kantone in Bezug auf Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien ist seit 2018 eine (allerdings sanktionslose) Bestimmung in Kraft, wonach die Richtpläne die für die Nutzung erneuerbarer Energien geeigneten Gebiete und Gewässerstrecken bezeichnen sollen (Art 8b RPG).
Zwei aktuelle Gesetzesvorhaben des Bundes zielen nun auf eine Förderung der erneuerbaren Energien: Die „Beschleunigungsvorlage erneuerbare Energien“ will ein Bundeskonzept für bedeutende Wasserkraft- und Windenergieanlagen sowie Bewilligungserleichterungen für Solaranlagen. Ein Gesetzesentwurf „Dringliche Maßnahmen zur Erhöhung der Winterstromproduktion“ will Bewilligungserleichterungen für große Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Außerdem hat der Bundesrat verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Versorgungssicherheit für den kommenden Winter ergriffen.
Präsentation
Raumplanungsrechtlicher Rahmen und Planungskoordination in der Schweiz &
Herausforderungen bei der Planung von Elektrizitätsproduktions- und Verteilungsanlagen
Leonhard Zwiauer, Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), Schweiz