Eine rasche Energiewende, aber wie?
Der Burgenländische Landtag hat im April 2022 ein Gesetz zur Beschleunigung der Nutzung von erneuerbaren Energieträgern (Bgld. EbBG) verabschiedet. Damit sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Erreichung der Klimaneutralität 2030 und der Energieunabhängigkeit von Russland geschaffen werden. Die Dringlichkeit des raschen Ausbaus von Windkraft und Photovoltaik dürfte auch der Grund für das sehr kurze Begutachtungsverfahren von weniger als vier Wochen sein. Das beeinträchtigt jedoch die Öffentlichkeitsbeteiligung und entspricht auch nicht der Empfehlung des BKA, welches für Bundesgesetze grundsätzlich eine 6-wöchige Begutachtungsfrist vorsieht. Doch hält das Gesetz überhaupt was es verspricht und wird es für eine rasche Energiewende sorgen, indem es die notwendige Entlastung von Genehmigungsverfahren ermöglicht?
Widmungsverfahren entfallen zugunsten überörtlicher Raumplanung
Das Umwidmungsverfahren war bislang ein notwendiger Zwischenschritt im Zuge der Genehmigung eines Projekts. Eine solche Flächenwidmung durch die Gemeinden entfällt nun im Burgenland für festgelegte Eignungszonen für Photovoltaik bzw. Windkraft. Denn die von der Landesregierung festgelegte Eignungszone muss als überörtliche Widmungsfestlegung im Flächenwidmungsplan der Gemeinden kenntlich gemacht werden. Damit ist das Burgenland nach der Steiermark das zweite Bundesland, dass eine Zonierung mit entsprechender Bindungswirkung für Windparks über 15 MW Leistung vorsieht. Anders als in der Steiermark sind im Burgenland auch Zonierungen für PV-Freiflächenanlagen vorgesehen. Ab einer Größe von 10 ha entfällt mit der Novelle nun auch dort das Widmungsverfahren.
Die neue Regelung entlastet die Projektebene, da Grundsatzfragen im vorgelagerten Planungsprozess geklärt werden können und Doppelprüfungen vermieden werden, indem die Planungsergebnisse für Folgeprozesse wie die örtliche Raumplanung der Gemeinden bindend sind. Gleichzeitig wird die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht eingeschränkt, da die Verordnung im Rahmen der überörtlichen Raumplanung – soweit erforderlich – einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) mit entsprechender Öffentlichkeitsbeteiligung zu unterziehen ist. Da der Wegfall der Flächenwidmung nur für Großanlagen gilt, ist jedenfalls mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen und damit eine SUP durchzuführen.
Zonierungen sind ein wesentliches Planungsinstrument in der Energieraumplanung, das derzeit noch viel zu wenige Bundesländer nützen. Sie schaffen nicht nur Planungssicherheit für Projektwerbende, sondern ermöglichen bei umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung auch eine möglichst biodiversitätsschonende Energiewende, indem Flächen vorab auf deren Naturverträglichkeit hin geprüft werden.
Vorrangiges öffentliches Interesse für Energiewende verankert
Mit der Verankerung eines vorrangigen öffentlichen Interesses für Windkraft- und Photovoltaikanlagen wurde laut den Gesetzeserläuterungen klargestellt, dass dem öffentlichen Interesse am Betrieb solcher Anlagen gegenüber dem Schutz des Landschaftsbildes, aber auch anderen Interessen wie z.B. im Rahmen einer naturschutzrechtlichen Abwägung, grundsätzlich Vorrang zukommt.
Hier ist zum einen fraglich, warum es einer solchen Klarstellung bedarf, da die Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie als langfristiges öffentliches Interesse ohnehin in politischen Programmen und Strategien verankert ist, vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurde (VwGH 30.9.2002, 2000/10/0065; 13.12.2010, 2009/10/0020; 14.7.2011, 2010/10/0011; 11.8.2015, 2012/10/0197; 21.12.2016, Ro 2014/10/0046) und in Genehmigungsverfahren entsprechende Berücksichtigung findet. Vielmehr erscheint es problematisch, dass der Gesetzgeber selektiv ein öffentliches Interesse hervorhebt. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Regelungen in der Praxis haben wird, zumal der VfGH im Fall Dritte Piste erkannte, dass Klimaschutz in der öffentlichen Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen sei, wenn dieses im anzuwendenden Materiengesetz nicht verankert ist (VfGh 29.06.2017, E 875/2017, E 886/2017). Klimaschutz über Naturschutz zu stellen wäre auch dem Klimaschutz nicht zuträglich, denn eine weitere Verschlechterung der Ökosysteme wäre nur ein zusätzlicher Treiber des Klimawandels.
Beiziehung von nichtamtlichen Sachverständigen
Zukünftig wird außerdem die Beiziehung von nichtamtlichen Sachverständigen in Verfahren leichter möglich sein. Ziel der Novelle ist es, dadurch Verfahrensverzögerungen durch Engpässe im Sachverständigenbereich zu vermeiden. So müssen die sonst geltenden Voraussetzungen in Verwaltungsverfahren, etwa das Fehlen von Amtssachverständigkeit oder weil eine Beiziehung aufgrund der Besonderheit des Falles geboten scheint, nicht vorliegen.
Ausreichend Ressourcen für Behörden und genügend Amtssachverständige in allen Fachbereichen sind wesentliche Faktoren für ein erfolgreiches und rasches Umweltverfahren, das zeigt auch die jüngste Studie von ÖKOBÜRO und BOKU zum Nutzen von Umweltverfahren. Daher sind eine Verstärkung und Koordination von Sachverständigen begrüßenswert. Wenig zielführend ist jedoch die Verlagerung des Problems hin zu privaten Sachverständigen, welche aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit abzulehnen sind.
Keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde
Eine weitere vermeintliche Beschleunigungsmaßnahme ist die Änderung des Burgenländischen Elektrizitätswesengesetzes (Bgld. ElWG 2006), womit Beschwerden gegen Bescheide der Behörde nicht mehr automatisch aufschiebende Wirkung zukommt. Auf Antrag einer beschwerdeführenden Partei wie etwa Nachbar:innen kann die aufschiebende Wirkung nur beantragt werden und die Behörde entscheidet anschließend, ob sie diese zugesteht. Damit wird das Grundprinzip im Verwaltungsverfahrensrecht, dass die aufschiebende Wirkung nur per Bescheid der Behörde im Einzelfall und nach Interessenabwägung auszuschließen ist, auf den Kopf gestellt. Wenngleich im Einzelfall ein Ausschluss gerechtfertigt sein kann, ist ein ex lege Ausschluss aus Rechtsschutzsicht problematisch.
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