Verordnung zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen
Die sogenannte „Taxonomie-Verordnung“ definiert bestimmte Umweltziele, nämlich Klimaschutz, Klimawandelanpassung, die nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Kreislaufwirtschaft sowie die Vermeidung bzw. Verminderung der Umweltverschmutzung. Als „ökologisch nachhaltig“ sind Tätigkeiten laut der Verordnung dann einzustufen, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Umweltziele der EU leisten und gleichzeitig nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung dieser Umweltziele führen. Zudem müssen technische Bewertungskriterien und ein bestimmter Mindestschutz eingehalten werden. In der Praxis dient die Taxonomie-Verordnung der Finanzwelt als wissenschaftlich fundierte Klassifizierung bzw. Grundlage für Investitionen.
Neben Umweltzielen führt die Taxonomie-Verordnung auch aus, welche Tätigkeiten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Davon umfasst sind etwa die Erzeugung, Übertragung, Speicherung, Verteilung oder Nutzung erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz oder Ausbau sauberer bzw. klimaneutraler Mobilität. Für diese Zwecke sollen in begrenztem Ausmaß auch Tätigkeiten, die nicht CO2-neutral sind, aber den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft unterstützen, bevorzugt werden.
Die Kommission bewertet den potenziellen Beitrag und die Durchführbarkeit aller relevanten Technologien und legt allgemeine Bewertungskriterien fest. In einem am 2. Februar veröffentlichten Entwurf eines delegierten Rechtsakts hält die EU-Kommission nun fest, dass auch Erdgas und Atomenergie von den Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie-Verordnung erfasst sein sollen.
Umfassende Kritik am Kommissionsentwurf
Aus einem durch das Klimaschutzministerium (BMK) beauftragten Rechtsgutachten von Juli 2021 geht hervor, dass die Aufnahme von Atomenergie nicht mit der Taxonomie-Verordnung zu vereinbaren ist. Abgesehen davon, dass die Taxonomie-Verordnung diese Art der Energiegewinnung nicht unter den Tätigkeiten, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, anführt, bestehen weitreichende Umweltrisiken.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam nun auch die EU-Plattform für Nachhaltige Finanzwirtschaft im Rahmen einer umfassenden Evaluierung im Hinblick auf die umstrittenen energiewirtschaftlichen Tätigkeiten Atomenergie und Erdgas. Zudem stehe der Entwurf in Bezug auf Erdgas im Widerspruch zu den EU-weit geltenden Vorgaben zur Treibhausgasreduktion, Klimaneutralität und dem 1,5 Grad-Ziel. Die meisten Mitglieder der Plattform sahen ein ernsthaftes Risiko, dass das Rahmenwerk der nachhaltigen Taxonomie damit untergraben würde.
Kritikpunkte am delegierten Rechtsakt der Kommission betreffen jedoch nicht nur die inhaltliche Frage, sondern auch die fehlende Folgenabschätzung und mangelhafte Konsultation der Öffentlichkeit. Aufgrund der umfassenden Auswirkungen betrachten viele Expert:innen es als ungeeignet, eine solche Frage in Form eines delegierten Rechtsakts, also mittels EU-Sekundärrecht zu regeln und damit die Rolle des Europäischen Parlaments und die Stimme der EU-Bürger:innen im Rechtssetzungsverfahren stark einzuschränken.
Weitere Prüfschritte zu erwarten
Bis zum Sommer soll der delegierte Rechtsakt nun vom Rat und vom EU-Parlament angenommen werden. Dabei kann es allerdings zu keiner Abänderung des Texts mehr kommen. Eine Ablehnung würde die einfache Mehrheit im Parlament erfordern.
Bestimmte Staaten wie Österreich, Luxemburg und Deutschland haben inzwischen klargestellt, dass sie im Fall einer Verabschiedung Rechtsmittel gegen den Rechtsakt in Erwägung ziehen. Eine Anfechtung bei den Europäischen Gerichten könnte laut BMK-Gutachten jeden Rechtsakt betreffen, der auf der Grundlage der Taxonomie-Verordnung erlassen wird und die Kernenergie irgendwie in die europäische Taxonomie einbezieht.
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