Ausgangsfall: Rechtsschutz gegen Entscheidungen über Beihilfen muss bestehen
Der EU-Kommission obliegt die Überprüfung der Vereinbarkeit von staatlichen Beihilfen mit dem europäischen Binnenmarkt. Ausgehend von einer Entscheidung der Kommission über Subventionen für das britische AKW Hinkley Point C richteten ÖKOBÜRO und Global 2000 bereits 2015 eine Beschwerde an den Umsetzungsausschuss zur Aarhus Konvention (ACCC). Dieser hielt in seiner Entscheidung vom März 2021 fest, dass es für die Öffentlichkeit Rechtschutzmöglichkeiten zur Überprüfung von Entscheidungen über Subventionen geben müsse, da sich diese auch auf die Umwelt auswirken können (wie zB. hier durch die Förderung des Baus eines AKW). Da dieser Rechtsschutz bis dato auf EU-Ebene nicht existiert, stellte das ACCC einen Verstoß gegen Art 9 Abs 3 der Aarhus Konvention fest.
Vorschlag der Kommission: Umsetzung erst 2025
Entscheidungen des ACCC werden der Konferenz der Vertragsstaaten der Aarhus Konvention übermittelt, die über die Unterstützung der Ergebnisse entscheidet. Wird eine Entscheidung des ACCC unterstützt, gilt sie als offizielle Interpretationsweise der Aarhus Konvention und wirkt für die Vertragsstaaten rechtlich bindend. Bisher wurden (mit einer Ausnahme) alle Entscheidungen des ACCC, die einen Widerspruch zur Aarhus Konvention feststellten, von den Vertragsparteien bestätigt. Nun schlägt die Europäische Kommission vor, die rezente Entscheidung des ACCC zum Rechtsschutz im Beihilfenverfahren in der Tagung der Vertragsparteien im Oktober 2021 nicht zu unterstützen, sondern dies auf die nächstfolgende Tagung im Jahr 2025 zu verschieben. Dies begründet die Kommission damit, dass zunächst die Implikationen der Entscheidung des ACCC und mögliche Handlungsoptionen überprüft werden müssten. Die Ergebnisse sollen Ende 2022, also weit nach der nächsten Vertragsstaatenkonferenz, veröffentlicht werden.
Konsequenzen des Vorschlags: diese Vorgangsweise könnte Schule machen
Auch durch eine bloße Unterstützung ist die EU völkerrechtlich dazu verpflichtet, bereits in den kommenden Jahren mit einer Umsetzung zu beginnen, wobei die Überprüfung möglicher Handlungsoptionen einen ersten Schritt darstellt. Dennoch setzt sich die Kommission damit über internationale Rechtsvorschriften hinweg. Aus dem Vorschlag ergibt sich der Eindruck, dass die Kommission mit zweierlei Maß misst: Eine Interpretation der Aarhus Konvention gilt für die EU, eine andere für die weiteren Vertragsparteien. Als Mitglied der Aarhus Konvention hat die EU deren Verpflichtungen allerdings grundsätzlich nachzukommen. Da die EU selbst regelmäßig mit Vertragsverletzungen ihrer Mitgliedstaaten zu kämpfen hat, macht die vorgeschlagene Handlungsweise einen denkbar ungünstigen Eindruck. Auch innerhalb der Aarhus-Vertragsstaaten geht die EU mit einem schlechten Beispiel voran. Wenn die Kommission die rechtlichen Feststellungen des ACCC nicht als solche interpretiert, könnte dies Schule machen und ähnliches Verhalten von anderen Vertragsstaaten in Zukunft legitim erscheinen lassen.
ÖKOBÜRO richtete deshalb gemeinsam mit anderen NGOs (ClientEarth, European Environmental Bureau, Justice & Environment sowie Environmental Justice Network Ireland) einen offenen Brief an die Attachés der Gruppe "Internationale Umweltaspekte", die die Standpunkte der EU in der Aarhus-Vertragsstaatenkonferenz vorbereitet. In diesem wird ersucht, den Vorschlag der Kommission in dieser Form nicht zu akzeptieren.
Weitere Informationen:
ÖKOBÜRO-Newsbeitrag vom 22. März 2021
Dokumente aus dem ACCC-Verfahren
Vorschlag der Kommission (englisch)