Das LVwG Salzburg hat den strengen Schutzstatus des Wolfes bestätigt
Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau hat mit Bescheid vom 17.6.2020 die jagdrechtliche Ausnahmebewilligung zum Abschuss eines Wolfes erteilt. Dieser war im Vorfeld als „Problemwolf“ in Verruf geraten, nachdem er im Großarltal zwischen 24.06. und 15.07.2019 etwa 24 Schafe gerissen und mehr als 4 verletzt zurückgelassen hat. Zudem werden ihm weitere 11 vermisste Schafe und eine Reihe toter Kälber zugerechnet. Von der zuständigen Jägerschaft wurde die Vermutung geäußert, dass der Wolf das Wild aufscheuchen könnte und dadurch Waldschäden unvermeidbar wären. Gegen diesen Bescheid wurde von den Umweltschutzorganisationen WWF, Naturschutzbund und ÖKOBÜRO eine Beschwerde eingebracht: Insbesondere würde die Bewilligung nicht den Anforderungen für die artenschutzrechtliche Ausnahmeprüfung entsprechen und gelindere Alternativen, wie Herdenschutz oder Vergrämung, zu wenig prüfen. Zudem seien die angeführten Risse und Verletzungen nicht zweifelsfrei dem gegenständlichen „Problemwolf“ zuordenbar, der außerdem das betreffende Almgebiet schon längst wieder verlassen habe. Für das Argument, dass der Wolf die Wildtiere beunruhigen und es dadurch zu Forstschäden kommen könnte, fehle die fachliche Grundlage. Der Erhaltungszustand einer geschützten Art sei der Rsp des EuGH zufolge bezogen auf die biogeographische Region und nicht bezogen auf das gesamte Staatsgebiet zu ermitteln (EuGH 10.10.2019, C-674/17 Rn 58). Dem aktuellen Artikel 17-Bericht zufolge leben in Österreich etwa 29 bis 36 Individuen. In der alpinen biogeographischen Region, welcher das Bundesland Salzburg angehört, leben etwa 6-8 Individuen (Österreichischer Bericht gem Artikel 17 FFH-RL).
In Bezug auf letzteres führt das LVwG Salzburg in seiner Entscheidung (405-1/549/1/61-2020) aus, dass der günstige Erhaltungszustand nach den Kriterien der FFH-Richtlinie in Österreich noch nicht erreicht worden ist. Zudem kann nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass etwaige Vergrämungsmaßnahmen – genauso wie eine letale Entnahme – tatsächlich den für die Risse verantwortlichen Wolf, und nicht ein anderes Individuum treffen. Mit Verweis auf entsprechende VwGH Judikatur (VwGH 08.09.2011, 2009/03/0057 ua.) stellt das LVwG fest, im Zweifel dürfen JägerInnen das Wild nicht erlegen, sondern haben sich vielmehr über die Identität des Wildes mit dem zuvor beobachteten Wild Gewissheit zu verschaffen und dürfen sich diesbezüglich nicht auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen verlassen.
Rechtlich unterstreicht das LVwG zudem, dass der Wolf gemäß § 103 Abs 1 lit a und Abs 2 Sbg JagdG in sämtlichen Lebensstadien besonders geschützt ist. Damit wird in erster Linie Art 12 iVm Anhang IV lit a der FFH-Richtlinie umgesetzt. Ausnahmen sind innerstaatlich und europarechtlich nur zulässig, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und ernste Schäden nicht anders zu vermeiden sind. Die Erreichung des günstigen Erhaltungszustands darf aber nicht beeinträchtigt werden (Artikel 1 lit i FFH-Richtlinie). Inhaltlich führt das LVwG aus, dass Ausnahmen vom Schutzsystem der FFH-Richtlinie nach der Rechtsprechung des EuGHs jedenfalls restriktiv auszulegen sind. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die ein Abgehen vom Schutzstandard rechtfertigen würde, trifft die Stelle, die sich auf das Vorliegen derselbigen beruft (EuGH Rs C-674/17 Tapiola Rn 30) – d.h. die Behörde welche eine Entnahme genehmigt. Zudem ist der gegenständliche Wolf zum Zeitpunkt der Entscheidung seit mehreren Monaten nicht mehr (negativ) in Erscheinung getreten. Daher würde mit Erteilung der Ausnahmebewilligung kein ernster Schaden mehr vermieden werden können.
Darüber hinaus hätte sich die Genehmigung zur Entnahme des Wolfes nicht an die im Bescheid genannten Jagdausübungsberechtigten, sondern an die antragstellende Agrargemeinschaft richten müssen, weshalb der Bescheid mit einem Formalmangel behaftet und aufzuheben war.
Weitere Informationen:
Entscheidung des LVwG Salzburg vom 10.12.2020