Zum Ausnahmegrund in Art 16 Abs 1 lit e
Grundsätzlich dürfen Ausnahmen vom strengen Artenschutz nur zur Erreichung bestimmter Ziele gewährt werden. Der Ausnahmetatbestand in lit e weist allerdings eine Besonderheit auf, denn er umschreibt das eigentliche Ziel nicht genauer. Demnach dürfen Ausnahmengenehmigungen erteilt werden, um
um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier‑ und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.
Der EuGH sieht darin aber keine allgemeine Rechtsgrundlage für die Genehmigung von Ausnahmen, vielmehr kann diese Bestimmung nur dann als Grundlage herangezogen werden, wenn die Bestimmungen in lit a-d nicht einschlägig sind. In einem solchen Fall muss das Ziel der Ausnahmeregelung durch die genehmigende Behörde „klar, genau und fundiert“ festgelegt werden. Dabei hat die Beurteilung, ob die Ausnahme zu Erreichung dieses Ziels geeignet ist, sowie die Festlegung der übrigen Kriterien nach lit e (selektiv und in beschränktem Ausmaß, begrenzte und spezifizierten Anzahl) auf Basis fundierter wissenschaftlicher Daten zu erfolgen.
Zur Alternativenprüfung
Neben einem entsprechenden Ziel verlangt die Gewährung von Ausnahmen vom strengen Artenschutz außerdem, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung zur Erreichung dieses Ziels gibt. Diese Frage nach dem sog gelinderen Mittel ist fester Bestandteil aller europarechtlichen Umweltprüfungen und auch in seinem Urteil in der Rs Tapiola hat der EuGH hat die Bedeutung dieses Prüfschritts erneut hervorgehoben. So verlangt der EuGH, dass das Nichtbestehen von Alternativen nicht nur genau und angemessen begründet werden muss, sondern dabei auch auf relevante technische, rechtliche und wissenschaftliche Berichte verwiesen werden muss.
Zur Voraussetzung des günstigen Erhaltungszustandes
Nach Ansicht des EuGH ist das Bestehen eines günstigen Erhaltungszustandes zwar eine „unabdingbare“ Voraussetzung für Ausnahmen vom strengen Schutzregime der FFH-RL. Doch ausnahmsweise sind Ausnahmen auch bei einem ungünstigen Erhaltungszustand zulässig und zwar dann, wenn die jeweiligen Maßnahmen keine Auswirkungen auf die betreffende Art haben, also „neutral“ sind. Aber auch dies muss hinreichend nachgewiesen sein und es ist dabei stets das Vorsorgeprinzip zu berücksichtigen.
Weitere Informationen:
Schlussanträge des Generalanwalts