Wieder Angriff auf Umweltschutz: OÖ Gesetzesvorschlag streicht Verfahrensrechte für Umweltanwaltschaften. Mehr Konflikte auf Baustellen zu erwarten.
Wien (OTS) - In einem einzigartigen Vorstoß soll in Oberösterreich die Parteistellung der Umweltanwaltschaft künftig in all jenen Verfahren entfallen, in denen das Land Umweltschutzorganisationen ein Beteiligungs- oder Beschwerderecht einräumen muss. Dadurch wird der Umweltschutz weiter zurück gedrängt. Die Umweltanwaltschaft des Landes ist die einzige Einrichtung, die nahezu flächendeckend Bauvorhaben auf Risiken für Tiere, Pflanzen und Lebensräume abschätzen kann.
Nach Standortentwicklungsgesetz und den Änderungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ist die geplante Demontage des Umweltanwalts in Oberösterreich ein weiterer Beleg für die einseitige Sicht von ÖVP und FPÖ. Bauvorhaben jeder Art sollen möglichst ungestört von Umweltschutz sein. Wenn das Europarecht ein wenig mehr an Rechten für Umweltschutzorganisationen erfordert, wird im Gegenzug der Umweltschutz an anderer Stelle ausgehöhlt.
Thomas Alge, Geschäftsführer von ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung: „Dieses Vorhabenverkennt die Realität von Umweltverfahren. Der Europäische Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben dafür gesorgt, dass endlich auch in Österreich Umweltschutzorganisationen gegen naturschutzrechtliche Verstöße wie etwa bei Kraftwerksbauten oder beim Abschuss von geschützten Wildtieren gerichtlich vorgehen können. Als Reaktion wirft man jetzt ausgerechnet jene Institution aus den Umweltverfahren, die bislang viele Konflikte schon im Vorfeld gelöst und von den Verfahren ferngehalten hat.“
Die Rollen von Umweltanwaltschaften und Umweltschutzorganisationen sind völlig unterschiedlich. Die „Erfindung“ der Umweltanwälte war eine der erfolgreichsten Lehren Österreichs auf die heftigen Umweltkonflikte der 1970er und 80er-Jahre. In Folge des Höhepunkts mit der der Besetzung der Hainburger Au installierte die Politik schließlich die Umweltanwaltschaften um im öffentlichen Auftrag die Interessen des Umwelt- und Naturschutzes zu vertreten. Schnell entwickelten sie sich zur ersten Anlaufstelle für besorgte Menschen und klärten als Ombuds- und Schlichtungsstelle zahllose kleinere Umweltkonflikte noch bevor diese eskalieren konnten. Alge: „Ohne Parteistellung wird die Umweltanwaltschaft in Oberösterreich bei Konflikten künftig jedoch nicht mehr vermitteln können. Einerseits fehlen ihr dann notwendige Informationen aus den Projektunterlagen, anderseits haben sie weder das Recht eigene Vorschläge zur Verbesserung zu machen, noch können sie Genehmigungen einer richterlichen Kontrolle unterwerfen. Dabei wäre diese schlichtende Vorinstanz jetzt umso notwendiger, da es mit den Umweltschutzorganisationen einen möglichen Beteiligten mehr an den Verfahren gibt.“
Umweltschutzorganisationen werden diese Lücke nicht füllen. Sie haben eine Watchdog-Funktion, der sie nachkommen, indem sie an den allerwichtigsten und heikelsten Verfahren teilnehmen. Ihre Aufgabe ist es, jene Umweltkonflikte auszutragen, bei denen eine Lösung zuvor gescheitert ist und dabei die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit auf den Fall zu lenken. Alge: „Wenn die Schlichtungsfunktion der Umweltanwaltschaft nicht mehr gegeben und deren umfassende Sachkompetenz in Verfahren nicht mehr nutzbar ist, wird die Zahl der eskalierenden Umweltkonflikte wieder rasant ansteigen. Ohne Umweltanwaltschaften werden Umweltschutzorganisationen in mehr Verfahren gehen müssen. Aber vor allem wird Widerstand von den Menschen vor Ort wieder öfter direkt auf den Baustellen stattfinden.“