17. Mai 2021 | NEWSFLASH Umweltrecht

EuGH fällt Urteil zu Rechtsschutz aufgrund der Aarhus Konvention

Der Öffentlichkeit stehen umfassende Rechte zu, gegen Entscheidungen in Umweltbelangen vorzugehen. Ob es zulässig ist, dass ein solcher Rechtsschutz an die Teilnahme am vorangehenden Bewilligungsverfahren geknüpft wird, hängt vom jeweiligen Vorhaben ab. Auf jeden Fall stehen diese Rechte auch abseits von EU-Sekundärrecht wie der UVP-Richtlinie zu. Dies zeigt sich anhand einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu einer Schweinezucht in den Niederlanden.

Aarhus Konvention verlangt Beteiligung und Rechtsschutz

Die Aarhus Konvention gibt vor, dass die Öffentlichkeit in Verfahren über bestimmte Tätigkeiten, die entweder explizit in Anhang 1 angeführt sind oder erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, einzubinden ist. Diese Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung stellten die Prüfbasis einer kürzlichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH C-826/18) dar. Ausschlaggebend für das Urteil war der Vorlageantrag eines niederländischen Bezirksgerichts in einem Verfahren zur Bewilligung eines Schweinestalls für 855 Sauen. Ein solches Bewilligungsverfahren erfordert zwar keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Anhang I der UVP-Richtlinie, bedarf aber aufgrund von Artikel 6 in Verbindung mit Anhang I der Aarhus Konvention der Öffentlichkeitsbeteiligung. Nach niederländischem Recht kann sich jedermann mittels Stellungnahme in ein solches Verfahren einbringen. Im Zuge des Verfahrens gefällte Entscheidungen können jedoch nur durch „Beteiligte“ – also Personen, deren „Interesse durch eine Entscheidung unmittelbar berührt wird“ – angefochten werden. Die Aarhus Konvention sieht Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten für die „betroffene Öffentlichkeit“, d.h. Umwelt-NGOs und Personen mit Interesse an einer Entscheidung, in Artikel 9 Abs 2 vor. Zudem besteht auch für die sonstige Öffentlichkeit ein allgemein gehaltener Rechtsschutz gemäß Artikel 9 Abs 3 Aarhus Konvention.


Präklusion der betroffenen Öffentlichkeit unzulässig

Der EuGH befasste sich in seinem Urteil insbesondere mit der Frage, inwieweit Mitgliedstaaten die Rechte der allgemeinen Öffentlichkeit und jenen der Betroffenen Personen unterschiedlich regeln dürfen. Zunächst hielt er diesbezüglich fest, dass im Sinne der Aarhus Konvention Beteiligungsrechte in Fällen des Artikel 6 nur jenen Personen zustehen müssen, die als „betroffene Öffentlichkeit“ gelten. Staaten steht es jedoch frei, darüber hinaus auch nicht betroffenen Personen Mitspracherechte zu gewähren.
Wie bereits in vorangehenden Fällen stellte der EuGH zunächst fest, dass sowohl die Beteiligung als auch der Rechtsschutz von Betroffenen umfassend auszugestalten ist. Es ist daher nicht denkbar, dass Betroffene nur dann gegen Entscheidungen vorgehen können, wenn sie sich vorab an einem Verfahren beteiligt haben. Anders ist dies jedoch bei sonstigen Personen, denen Staaten „freiwillig“ Verfahrensrechte einräumen. In diesen Fällen kommt nämlich der allgemeinere Rechtsschutz des Artikel 9 Abs 3 zu Anwendung. Das bedeutet einerseits, dass solchen Personen Rechtmittel zustehen, sofern sie sich in ein Verfahren eingebracht haben. Andererseits lässt dieser Rechtsschutz jedoch einen Ausschluss bzw. eine Präklusion jener Personen zu, die sich vorab nicht eingebracht haben. Auch in Österreich ist eine solche Präklusion etwa in UVP-Verfahren oder bei Naturverträglichkeitsprüfungen vorgesehen. Hier müssen Umweltschutzorganisationen im Falle einer Bescheidbeschwerde ausführen, weshalb sie sich bisher nicht in ein Verfahren eingebracht haben. Diese Verfahren erfordern jedoch Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art 6 Aarhus Konvention. Unter Berücksichtigung der gegenständlichen Judikatur ist es daher zu bezweifeln, dass eine solche Form der Präklusion zulässig ist.
 

Direkte Auslegung der Aarhus Konvention durch den EuGH

Bemerkenswert ist zudem, dass sich der Gerichtshof im gegebenen Fall nicht auf die UVP-Richtlinie stützen konnte, da diese gemäß Anhang I für Schweinzuchten erst ab einer Anzahl von 900 Plätzen für Sauen gilt. Es kam daher zu einer direkten Prüfung der Aarhus Konvention abseits von sonstigem Unionsrecht, was eine Neuheit in der EuGH-Judikatur darstellt. Dies könnte in Zukunft auch für Österreich von Bedeutung sein, da sich die Umsetzung der Aarhus Konvention hierzulande sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene weitgehend auf durch unionsrechtliches Sekundärrecht determinierte Fälle beschränkt.
 

Weitere Informationen:

Urteil zur Rs C-826/18
Aarhus-Konvention
ÖKOBÜRO Positionspapier zur Umsetzung der Aarhus Konvention