Zusammenfassung aktueller umweltrechtlicher Entscheidungen

Slowakei bricht durch mangelnden Schutz des Auerhuhns EU-Recht

Die Slowakei hätte dem unionsrechtlichen Schutz des Auerhuhns in der Genehmigung und Prüfung von Holzernte- und Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen mehr Sorgfalt zukommen lassen müssen.  Dies entschied der EuGH mit Verweis auf die Vogelschutz- und Habitatrichtlinie. EuGH 22.6.2022, C-661/20

Mitgliedstaaten haften möglicherweise unionsrechtlich für Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung

Der EuGH ist möglicherweise bereit Mitgliedstaaten für Gesundheitsschäden aufgrund unionsrechtswidriger Luftverschmutzung haften zu lassen. Die klassischen Voraussetzungen einer unionsrechtlichen Staatshaftungsklage seien oftmals erfüllt, argumentiert die Generalanwältin Juliane Kokott. Die EU-Grenzwerte seien hinreichend konkret und verliehen dem Einzelnen Rechte, die verletzt würden. Als problematisch könnte sich der Kausalitätsnachweis zwischen den bestehenden Gesundheitsschäden und dem unionsrechtswidrigen Überschreiten der Messwerte erweisen. Schlussanträge GA Kokott, C-61/21

EU-Parlament stimmt Einstufung von Gas und Atomkraft als umweltverträglich zu

Das EU-Parlament hat die Einstufung von Gas und Atomkraft als umweltfreundlich unter der Taxonomie-Verordnung - einem Klassifikationssystem, das Investitionen in bestimmte Wirtschaftsaktivitäten fördern soll - gebilligt. Die Mehrheit des Parlaments stimmte zwar gegen den delegierten Rechtsakt. Die für ein Veto notwendige absolute Mehrheit der Abgeordneten wurde aber nicht erreicht. Österreich hat nun angekündigt gegen die Entscheidung klagen zu wollen. Pressemitteilung des Europäischen Parlaments, 6.7.2022

Größte Salzwasserlagune Europas erhält Rechtspersönlichkeit

Der spanische Gesetzgeber hat dem Mar Menor eigene Rechte erteilt. Die Durchsetzung dieser erfolgt durch die Bürger. Jeder – unabhängig von der eigenen Betroffenheit – kann gegen mögliche Rechtsverletzungen der Lagune klagen. Es ist das erste Mal, dass einem Ökosystem in Europa eigene Rechte zugesprochen werden und ist eine völlig neue rechtliche Herangehensweise an den Naturschutz. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in Neuseeland, Kolumbien und Indien erkennen. Mehr im Newsbeitrag Beck-Aktuell

Prager Gericht: Verfehlen der Pariser Klimaziele verletzt Recht auf gesunde Umwelt

Die tschechische Regierung hat gegen das Verfassungsrecht auf gesunde Umwelt verstoßen. Dies stellte das Gemeindegericht Prag fest. Die Menschenwürde und -gesundheit würde durch den menschengemachten Klimawandel hinreichend sicher gefährdet, deshalb sei nicht notwendig, erst die Folgen des Klimawandels abzuwarten, um klagen zu können.
Tschechien habe seine Schutzpflichten gem. Art. 4 (2) Pariser Klimaabkommen missachtet. Die Norm verpflichtet Staaten ihre Emissionen bis 2030 um 55% gegenüber 1990 zu verringern. Die bislang angekündigten Maßnahmen würden nur zu 45.1% weniger Emissionen bis 2030 führen. Die betroffenen Ministerien hätten keinen legitimen Zweck für diesen Umstand genannt. Die Erkenntnis setzt die gesamteuropäische Entwicklung, Klimaschutz erfolgreich gerichtlich einklagen zu können, fort. Stadtgericht Prag, 15.6.2022 (englische Übersetzung des Urteils)